Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
glaube, du hast an jenem Tag deinen Verstand verloren, Jane«, schimpfte sie. »Ich verstehe es nicht, und ich sage dir, ich werde es nie verstehen.«
»Mama«, tadelte Cassandra sie, »es ist an der Zeit, dass du aufhörst, dieser Angelegenheit nachzutrauern. Es ist doch bereits so lange her.«
»Ich dagegen denke schon seit geraumer Zeit, dass meine Ablehnung eine glückliche Fügung des Schicksals war«, sagte ich und setzte insgeheim im Stillen hinzu: Insbesondere jetzt, da mir durch den Kopf gegangen ist, wie anders meine Reaktion ausgefallen wäre, hätte mir ein Mann wie Mr. Ashford seine Hand angetragen. Selbst wenn Mr. Ashford keinen Penny sein eigen genannt hätte, hätte ich seinen Antrag auf der Stelle angenommen und wäre glücklich gewesen, seine Frau zu werden, denke ich. Denn innerhalb weniger kurzer Stunden hatten wir eine Verbindung zueinander gefunden, wie ich sie mit Harris Bigg-Wither nicht in einem langen Leben hätte aufbauen können.
Zum Glück hatte dieser Vorfall unsere Freundschaft mit den Schwestern Bigg nicht beeinträchtigt. Das war bestimmt unserer wirklich tiefen Verbindung und großenZuneigung zuzuschreiben. Zwei Jahre, nachdem er um meine Hand angehalten hatte, heiratete Harris eine Erbin von der Insel Wight namens Anne Howe Frith. Allem Anschein nach war es eine Verbindung geistesverwandter Naturen. Um seinem Vater zu entkommen, war Harris in ein eigenes Haus gezogen, und wir konnten daher in Manydown weiter unsere Besuche machen, wann immer wir wollten. »Freue dich doch für Harris, Mama«, sagte ich. »Er hat eine Frau gefunden, die perfekt zu ihm passt. Sie haben sich in Wymering hervorragend eingelebt, und sie gebiert ihm all die Nachkommen, die er sich nur wünschen kann.«
»Kinder, die deine hätten sein sollen!«, rief meine Mutter. »Du könntest inzwischen fünf Kinder haben!«
»Fünf kleine Bigg-Withers in sechs Jahren, und alle würden sie Harris ähneln«, erwiderte ich und unterdrückte mit Mühe ein Schaudern. »
Das
ist ein furchterregender Gedanke!«
»Und jetzt ist Catherine verlobt«, fuhr meine Mutter mit einem Seufzer fort, als hätte ich gar nichts gesagt.
Ich hatte kürzlich einige Taschentücher aus Kambrais als Hochzeitsgeschenk für Catherine Bigg gesäumt. Sie hatte sich mit einem Reverend Herbert Hill verlobt, der gute siebenundzwanzig Jahre älter war als sie. Sie hatte mir anvertraut, dass sie ihn nicht liebte, aber an die Annehmlichkeiten der Ehe denken musste, da ja Manydown eines Tages an ihren Bruder und seine Frau gehen würde.
»Mama, was hältst du von dem Vers, den ich zu den Taschentüchern geschrieben habe, die ich Catherine schenken werde?«, erkundigte ich mich und las ihn laut vor:
»Kambrais! Ein köstlich Gut will ich dich nennen.
Ich würd dich gerne segnen können.
Dien deiner Herrin mit Entzücken.
Sei klein und weiß, lass dich zusammendrücken.
Genieß dein Glück, so viel geehrt,
Trag ihren Namen, wie’s sich gehört.
Lass dich drücken, mögst ihr lange dienen,
Mit wenig Schnupfen und noch weniger Tränen.«
»Recht nett«, sagte meine Mutter, »aber zu lang. Wenn es nach mir ginge, würde ich bei einem Hochzeitsgeschenk niemals Krankheiten erwähnen. 21 Oh«, fügte sie hinzu, während ihr Tränen in die Augen traten, »wenn ich denke, dass nun Catherine vor dem Traualtar steht! Die war nicht so wählerisch!«
»Hätte nur
ich
Mr. Hill zuerst getroffen und nicht Catherine«, sagte ich und legte meine Feder mit einem gespielten Seufzer nieder. »Dann hätte
ich
ihn umgarnen können. Aber Catherine hat ja immer so viel Glück.«
»Oh, du bist unerträglich!«, rief meine Mutter. »Nun, da Frank und Mary fortgehen, müssen wir wieder einmal umziehen, und alle, die wir kennen, heiraten, und dir fallen dazu nur alberne Scherze ein.«
Die schwierige Frage, wie und wo wir leben sollten, bedrückte uns sehr. Aber schon bald stellte ein viel größererKummer diese Sorge in den Schatten – und durch eine Ironie des Schicksals löste sich dadurch gleichzeitig unser Wohnproblem. Im Oktober starb Elizabeth, die Frau meines Bruders Edward, zwei Wochen nach der Geburt ihres elften Kindes.
Die Nachricht bestürzte und entsetzte uns. Elizabeth war eine wunderschöne, wohlhabende, hochgeborene, verwöhnte Frau. Sie hatte mit achtzehn Jahren aus Liebe geheiratet und war seither beinahe durchgängig jeden Tag in anderen Umständen gewesen. Während ihrer letzten Schwangerschaft hatte sie sich oft unwohl gefühlt, sich aber
Weitere Kostenlose Bücher