Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
sprechen. Er hätte mir wohl gestanden, dass er, als wir einander in Lyme kennenlernten, sehr von mir angetan war. Bei seiner Rückkehr nach Derbyshire wäre er jedoch in Angelegenheiten seines Familienstammsitzes verwickelt worden, und man hätte ihn daran erinnert (vielleicht war das sein Vater gewesen), dass er nun in ein Alter kam, in dem ein Mann heiraten sollte, ja musste. Es war ihm dann nur natürlich und recht erschienen, eine junge Frau zu wählen, der bereits die Liebe seiner Familie gehörte. Er hatte Isabella sein Leben lang gekannt, hätte er mir vielleicht sagen können, und immer große Zuneigung zu ihr verspürt. Vor ein, zwei Jahren sei sie zur vollen Blüte herangereift,und ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit hätten ihn verzaubert.
Es wäre alles beschlossene Sache gewesen; er würde Isabella heiraten und hätte sich zufrieden damit gewähnt. Doch dann hätten wir einander in Southampton wiedergetroffen. Er wäre nicht darauf vorbereitet gewesen, welche große Zuneigung er zu mir fühlen würde. Die Ähnlichkeit unserer Denkweise, der Zauber meiner Person und meines Intellektes (oder ein ähnlicher Unsinn dieser Art) hätten ihn zu mir hingezogen. Er wüsste, er hätte mir von seiner Verlobung erzählen sollen; er hätte sich täglich Vorwürfe wegen dieser Unterlassung gemacht. Aber hätte er mich über seine wahren Verhältnisse unterrichtet, so fürchtete er, hätte ich ihn nicht mehr sehen wollen (was sicherlich der Fall gewesen wäre). Da er mich jedoch von Anfang an nur als Freundin betrachtet hätte und davon ausgegangen wäre, dass es mir ähnlich ginge, hätte er keinen wirklichen Schaden darin gesehen, unsere Beziehung fortzusetzen.
Er hätte mir dann seine Augen zugewandt (stellte ich mir vor), hätte mich mit tiefster Aufrichtigkeit angesehen (eines seiner vielen Talente) und gesagt: »Dass Sie aus einer anderen Quelle von meiner Verlobung erfahren haben, wird mir stets größte Verlegenheit bereiten. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen und wir können Freunde bleiben, denn ich werde stets voll größter Hochachtung an Sie denken &c. &c.«
Dieses in meiner Phantasie geführte Gespräch, das mir ein ungutes Gefühl in der Magengegend bereitete, wurde durch einen Ruf aus einiger Entfernung unterbrochen, in dem ich meinen Namen zu hören meinte. Ich schaute über den Rasen und erblickte Mr. Morton, der aus dem Pfarrhaus getreten war und mir zuwinkte.
O nein, dachte ich. Was jetzt? Alethea musste ihm von Mr. Ashfords Einladung zum Abendessen in Pembroke Hall erzählt haben, und er konnte es nicht erwarten, sein Entzücken darüber mit mir zu teilen. Der Pfarrer kam auf mich zu gerannt, so schnell es seine stämmigen Beine und sein schwerer Leib erlaubten. Ich beschleunigte meine Schritte auf dem Kiesweg in seine Richtung und erreichte ihn am Eingang zum Rosengarten.
»Miss Austen«, rief er, nachdem er mich eingeholt hatte, aber immer noch nach Luft schnappte, »darf ich um die Ehre eines Spaziergangs mit Ihnen allein bitten?«
»Es ist Ihr Garten, Mr. Morton. Und ansonsten scheint ja niemand hier zu sein.«
Er schnaubte etwas, das wie ein Lachen klingen sollte. »Ihr köstlicher Humor, Miss Austen, ist nur eine Ihrer vielen Wesensarten, die ich so liebenswert finde.«
»Sie sind zu freundlich, Mr. Morton.«
»Ich spreche nur die Wahrheit. Sie sind eine Frau von großem Charme und vielen überraschenden Eigenschaften.« Er glich seinen Schritt dem meinen an. Wie erwartet, sagte er dann: »Nun, wer hätte das gedacht, als Sie hier ankamen – eine Frau aus einer ehrbaren Familie, sicher, aber doch nicht von besonderer Bedeutung, die Sie den größten Teil Ihres Lebens in der Grafschaft Hampshire verbracht haben – dass Sie die Churchills kennen würden! Und durch diese Verbindung auch noch einen Zugang zur Familie Ashford haben! Ist das aufregend! Ich habe gerade eben erst die Nachricht von der außerordentlich freundlichen Einladung Mr. Ashfords bekommen, und Worte können kaum zum Ausdruck bringen, mit welch ungeheurem Vergnügen ich dieser Angelegenheit entgegensehe!«
»Es sind keine Worte notwendig, Mr. Morton. Ich kann mir ihre Gefühle sehr gut vorstellen.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Miss Austen. Denn Sie scheinen mir eine Frau von großer Phantasie zu sein, eine weitere Eigenschaft, die ich bewundere. Mehr zu sehen, als nur das, was vor Augen liegt, all seine innersten Gedanken auf eine zukünftige Aussicht zu richten und dann diese Vorstellung in die Wirklichkeit
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