Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
»Was die Geschäfte und die Gesellschaft betrifft, so ist Alton bei schönem Wetter zu Fuß leicht zu erreichen. Dieses Örtchen ist sogar groß genug, um eine Zweigstelle von Henrys Londoner Bank zu besitzen. Unddas Herrenhaus, die Kirche und das Pfarrhaus sind nur zehn Minuten Spaziergang entfernt.«
Das Innere des Hauses, das gemütlich und hell war und nach frischer Farbe roch, erwies sich als weitaus vielversprechender, und sogar Mutters Laune begann sich zu erhellen. Von der Eingangstür trat man in ein recht großzügiges Vestibül. Links davon lag ein angenehmer Salon mit niedriger Decke, einem Kamin mit verziertem Sims und grob verputzten, weiß getünchten Wänden. Das wenige, was wir an Möbeln besaßen, hatte man bereits hergeschickt, und es stand wie zufällig verteilt im Raum und erwartete unsere Entscheidungen.
Wir bewunderten die Verbesserungen, die Edward hatte vornehmen lassen: das große Fenster im Salon (das wegen der vorherigen Nutzung als Gasthof unmittelbar auf die Hauptstraße gegangen war) hatte er wegen des Lärms zumauern und in der Nische ein Bücherregal einbauen lassen. Um dem Erdgeschoss eine fröhlichere Atmosphäre zu geben, hatte er ein wunderschönes, neues gotisch anmutendes Fenster in die Gartenwand schlagen lassen.
»Oh, ist das nicht herrlich!«, rief meine Mutter aus. »Edward hatte schon immer einen guten Geschmack! Der Ausblick aus diesem Zimmer ist so angenehm, und das Licht ist gut. Hier solltest du dein neues Pianoforte aufstellen, Jane, sobald es eintrifft.«
Meine Mutter, meine Schwester und Martha hatten bereits vor vielen Monaten beschlossen, ihre Mittel zusammenzulegen und ein Klavier für mich zu erwerben. Diese Großzügigkeit – insbesondere angesichts der Tatsache, dass keine von ihnen das gleiche Verlangen nach Musik und die gleiche Wertschätzung dafür an den Tag legte wie ich – brachte mich jedes Mal an den Rand der Tränen,wenn ich daran dachte. Seit wir neun Jahre zuvor Steventon verlassen hatten, hatte ich kein Klavier mehr besessen. Ich war entschlossen, auch ländliche Tanzmelodien zu lernen, damit wir ein wenig Unterhaltung für unsere Nichten und Neffen bieten konnten, wenn wir das Vergnügen ihres Besuches hatten.
»Wir hatten großes Glück, ein so gutes Instrument für nur dreißig Guineas zu bekommen«, sagte ich. »Es wird wirklich wunderbar in diese Ecke passen, und hier neben den Kamin kann ich meinen Schreibtisch stellen.«
Das Vestibül verband den Salon mit einem großzügigen Speisezimmer, das einen Blick auf die Straße hatte. Eine schmale Treppe führte zu sechs gemütlichen Schlafzimmern im Obergeschoss.
»Diese Schlafzimmer sind nun wirklich sehr klein«, meinte meine Mutter, »aber wir haben Glück, dass es sechs sind, da sie ja schon alle vergeben sind.« Wir hatten beschlossen, dass Cassandra und ich uns wie immer ein Zimmer teilen würden. Martha und meine Mutter sollten je ein eigenes haben. Eines sollte für Gäste reserviert sein. Und die anderen waren für die Bediensteten vorgesehen, die meine Mutter noch einstellen musste: eine Köchin, ein Hausmädchen und einen Mann für die schweren Arbeiten.
»Es sieht ganz so aus, als hätte Edward wirklich gute Arbeit geleistet, als er dieses Haus renoviert hat«, sagte meine Mutter, »wenn ich mich auch frage, ob es wirklich zu viel verlangt gewesen wäre, ein Wasserklosett einzubauen?«
»In einem Häuschen auf dem Land kann man den Luxus von Leitungswasser nicht erwarten, Mama. Aber Edward hat gesagt, dass die Pumpe hinter dem Haus verbessertwurde und man für den Abort eine bessere Sickergrube angelegt hat.«
Im hinteren Bereich des Erdgeschosses befand sich die Küche, und auf der anderen Seite des Hofes lagen ein Stall, ein Getreidespeicher und ein Backhaus mit einem Brotofen und einem mit Kupfer ausgeschlagenen Waschkessel. »Martha wird im siebten Himmel sein, wenn sie das sieht!«, rief meine Mutter. »Sie kann der Köchin helfen, all diese neuen Rezepte auszuprobieren. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, was wir mit einem Stall anfangen sollen, da wir uns ja keine Kutsche leisten können.«
»Wenn wir sehr sparsam sind, könnten wir uns vielleicht einen Esel und einen Karren beschaffen«, schlug ich vor.
»Das wird ein Festtag, wenn ich in einem Eselswagen daherkomme«, meinte meine Mutter verschnupft. Über die Größe des Gartens war sie jedoch uneingeschränkt begeistert. Er enthielt ein dicht bepflanztes kleines Gehölz, duftenden Flieder, zahlreiche
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