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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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bleiben. Ich wollte Ihnen Ihren Roman zurückgeben und Ihnen danken, dass Sie ihn mir geliehen haben.« Er legte das Buch auf den Esstisch. »Es ist ein reizendes Buch.«
    Ich dankte ihm. Da er keinerlei Anstalten zum Gehen machte, es aber so schien, als wolle er noch etwas hinzufügen, half ich ihm ein wenig. »Bitte sagen Sie mir doch ohne Umschweife, was Sie über den Roman denken. Nicht alle Kritiker wussten ihn zu schätzen. Ich habe ja außer Papa und meinem Verleger niemanden mehr, mit dem ich diese Dinge besprechen kann, und Ihre Meinung interessiert mich außerordentlich.«
    Er schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Nun, ich bin kein Experte in derlei Fragen, und ich weiß nicht, was die Kritiker daran auszusetzen haben. Ich fand das Buch sehr gut geschrieben. Mir haben Ihre Beschreibungen der Landschaft von Yorkshire gefallen. Ich habe in Ihrem ›Tartar‹ Keeper wiedererkannt. Und Mr. Grant und Mr. Bradley haben Sie mit herrlicher Vollkommenheit porträtiert. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so herzlich lachen müssen! Ich werde mir ganz bestimmt ein eigenes Exemplar bestellen.«
    »Ich könnte mir kaum eine bessere Empfehlung wünschen.«
    Nach einem kleinen Zögern fragte er: »Wäre es sehr vermessen, wenn ich Sie fragte, Miss Brontë, ob Sie zufällig mit Ihrem Mr. Macarthey ein wenig mich gemeint haben könnten?«
    Die Hitze stieg mir in die Wangen. »Ich muss zugeben, dass ich an Sie gedacht habe, als ich am Schluss diese kleine Passage über ihn geschrieben habe.« Als er lachte, fügte ich hinzu: »Glauben Sie mir, ich hätte sie niemals geschrieben, wenn mir der Gedanke gekommen wäre, Sie könnten sie einmal lesen.«
    »Nun, ich fühle mich geehrt«, erwiderte er triumphierend, »dass ich mich in Ihrem Buch wiederfinde, wie klein meine Rolle auch sein mag.«
     
    Wenige Tage später schrieb ich gerade einen Brief, als Martha schnaufend und keuchend und höchst aufgeregt aus der Küche hereingerannt kam.
    »Oh, Madam, was für Neuigkeiten ich gehört habe!«
    »Welche denn?«, fragte ich, konnte aber schon beinahe erraten, was nun kommen würde.
    »Bitte, Madam, Sie haben tatsächlich zwei Bücher geschrieben – die großartigsten Bücher, die es je gab! Mein Vater hat das in Halifax gehört, und Mr. George Taylor und Mr. Greenwood und Mr. Merrall in Bradford – die wollen ein Treffen im ›Mechanics’ Institute‹ 3 abhalten und beschließen, die Bücher zu bestellen!«
    Ich beruhigte Martha und schickte sie wieder in die Küche zurück. Dann brach mir der kalte Angstschweiß aus. Dass John Brown, unser Küster, und zweifellos jeder Mann und jede Frau in ganz Haworth
Jane Eyr e
und
Shirley
lesen würden! Gott steh mir bei!
    Die Nachricht breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Ich ging nicht mehr ungesehen durchs Dorf. Schon bald erhoben die Leute ein großes Gezeter, wollten unbedingt meine Bücher lesen. Besonders närrisch verhielten sie sich, was
Shirley
betraf. Sie losten aus, wer eines der drei Exemplare bekommen durfte, die das »Mechanics’ Institute« zum Verleih hatte, das außerdem einen Shilling pro Tag als Strafe verlangte, wennjemand die Bände länger als zwei Tage behielt. Ellen schrieb mir, man brächte
Shirley
in ihrem Bezirk ähnlich lebhaftes Interesse entgegen, wo sich viele in den Romangestalten wiedererkannten und wo man es insgesamt außerordentlich aufregend fand, dass die Menschen und die Landschaft von Yorkshire von einer Mitbürgerin in einem Buch beschrieben wurden. Selbst die Hilfspfarrer vor Ort – die armen Kerle! – zeigten keinen Unmut, vielmehr fand ein jeder von ihnen viel Trost darin, über seine Kollegen hämisch zu frohlocken.
    Es wäre purer Unsinn und große Eitelkeit, wollte ich hier mehr von dem wiederholen, war mir damals zu Ohren kam, insbesondere da die beifälligen Äußerungen durch ein gleiches Maß an negativen Bemerkungen in der Presse mehr als aufgewogen wurden. Trotzdem war ich dankbar für die Begeisterung unserer Nachbarn, denn sie war für meinen alternden Vater eine Quelle erquickender Freude, und sein Stolz auf mein Werk war nun grenzenlos.
    Eines Morgens ereignete sich etwas, das mich seltsam anrührte. Papa legte mir ein kleines Bündel alter, vergilbter Briefe in die Hände.
    »Charlotte«, sagte er freundlich und ernst, »mir ist der Gedanke gekommen, dass du diese hier vielleicht lesen möchtest. Es sind die Briefe deiner Mutter.«
    »Die Briefe meiner Mutter?«, fragte ich höchst überrascht.
    »Sie hat sie mir vor

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