Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë
erwerben, die dem schwachen Geschlechte eher angemessen ist.«
Emily schnaufte leise vor Ärger ob dieser Aussage. Ich fand sie lediglich amüsant. »Ach wirklich?«, sagte ich. »Und welcheHunderasse würden Sie für
angemessener
für Personen unseres Geschlechts erachten, Mr. Nicholls?«
»Gewöhnlich ziehen Damen Schoßhündchen vor«, erwiderte Mr. Nicholls.
»Irgendetwas Kleines und Niedliches«, ergänzte Mr. Grant mit einem Nicken, »wie zum Beispiel einen Mops oder einen Pudel.«
Ich lachte lauthals los. »Nun, dann können Sie mich und meine Schwestern als Ausnahmen von dieser Regel betrachten.«
»Meine Schwestern sind Ausnahmen von
jeder
Regel«, sagte Branwell mit einem glucksenden Lachen.
Obwohl Emily, wenn wir Besuch hatten, kaum je sprach, wandte sie nun leidenschaftlich ein: »Ich bin wirklich ratlos. Warum halten Sie, meine Herren, Männer und Frauen für so ungeheuer unterschiedlich, dass Sie ihnen sogar bestimmte Hunderassen zuweisen wollen?«
»Ich wollte niemanden beleidigen«, antwortete Mr. Nicholls. »Ich habe nur eine Meinung zum Ausdruck gebracht, die auf meinen Beobachtungen von Hunden – und von Frauen – aufbaut.«
»Ihren Beobachtungen?«, gab Emily zurück. »Ja, Charlotte hat mir von einigen Ihrer Beobachtungen bezüglich der Frauen berichtet, Mr. Nicholls. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie mir erzählt, dass Sie lediglich zwei Beschäftigungen für Frauen billigen, Kochen und Handarbeiten – und dass Sie von beiden behaupten, Gott selbst hätte sie uns zugewiesen.«
Mr. Nicholls schien von dieser Aussage verblüfft zu sein. Branwell lachte wieder; aber die anderen beiden Männer hatten recht ernste Mienen aufgesetzt, während sie sich geschäftig über das Roastbeef und den Yorkshire Pudding hermachten. Einen endlos scheinenden Augenblick waren im Zimmernur die Geräusche eifrigen Kauens, das Klirren des Silberbestecks und das Zwitschern unseres Kanarienvogels Little Dick in seinem Käfig am Fenster zu hören. Schließlich erwiderte Mr. Nicholls: »Ich meinte nur, Miss Emily, dass Frauen die glänzendsten Leistungen vollbringen, wenn sie all diese weiblichen Pflichten erfüllen, die zu verrichten sie geboren sind und in denen sie sich so hervortun, wenn sie also einen Haushalt führen als hilfreiche Ehefrauen, pflichtbewusste Töchter und liebende Mütter.«
»Hört, hört«, stimmte Mr. Grant zu.
»Ein weiseres Wort wurde nie gesprochen«, pflichtete ihm auch Papa bei.
»Das muss ein Scherz sein«, sagte Emily.
Auch ich spürte, wie die plötzliche Hitze der Empörung in mir aufwallte. (Wie hatte ich nur glauben können, Mr. Nicholls könnte es schaffen, dass ich jemals eine bessere Meinung von ihm bekäme?) »Wollen Sie damit andeuten, Sir«, sagte ich, »dass Frauen sich
nur in jenen weiblichen Pflichten hervortun können, die zu verrichten sie geboren sind
? Das, kurz gesagt, weibliche Wesen niemals nach Höherem streben sollten, als Pasteten zu backen, Socken zu stricken, Klavier zu spielen und Taschen zu besticken? Glauben Sie ernstlich, dass alles Weitere über den weiblichen Verstand geht – dass Frauen nicht die gleichen geistigen Fähigkeiten zum Lernen haben wie Männer?«
»Beantworten Sie diese Frage auf eigene Gefahr«, warnte Branwell.
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Mr. Nicholls.
Mr. Grant schnitt ihm das Wort ab und meinte: »Diese Frage steht doch eigentlich nicht zur Debatte. Es geht hier um eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache; es gibt physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. AlexanderWalker hat es am besten ausgedrückt, denke ich, als er sagte, dass der Mann, der die Fähigkeit zum logischen Denken, die Muskelkraft und den Mut besitzt, beides einzusetzen, zum Beschützer berufen ist, während die Frau, die kaum zu logischem Denken befähigt, schwach und furchtsam ist, diesen Schutz braucht. Unter solchen Umständen führt natürlich der Mann das Regiment, und die Frau gehorcht natürlich.« 1
»Oh! Oh!«, riefen Emily und Anne wie aus einem Munde empört aus.
»Ich stimme zu, dass der Mann der Beschützer ist«, fuhr Mr. Nicholls dazwischen, »und dass die Stärken einer Frau Weichheit, Zärtlichkeit und Anmut sind. Aber die Frage bezüglich der Männer und Frauen, die unsere Gesellschaft heutzutage so beschäftigt, ist doch ganz eindeutig in der Bibel erklärt – und nirgendwo wird diese Lehrmeinung besser dargestellt als im zweiten Kapitel im Brief des Apostel Paulus an Timotheus.«
»Und welche
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