Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
dein Herz errichtet!«
    Erneut brach ich in Tränen aus. Ich vergrub meinen Kopf in den Armen und rief: »Raus! Lass mich allein!«
    Emily ging aus dem Zimmer. Ich weinte. Ich ließ in einer wilden Flut all die Wut und Beschämung herausströmen, die meine Seele erfüllte. Branwell hatte mich eine Schlampe genannt. Eine Schlampe! Er hatte mich beschuldigt, mich mit einem verheirateten Mann eingelassen zu haben, und Emily hatte das bestätigt, und alles in Hörweite von Papa und Mr.Nicholls! O welches Elend! O welcher Schmerz! Was würden sie nun über mich denken, nachdem sie so widerliche und niedrige Anschuldigungen gegen mich vernommen hatten? Während ich weinte, quälte ich mich mit der Erinnerung an die schrecklichen Dinge, die mein Bruder und meine Schwester gesagt hatten:
    Es scheint, dass ich nicht der Einzige in diesem Haushalt bin, der sich nach einer abwesenden, geliebten Person verzehrt.
    Die Dinge sind vielleicht ein wenig außer Kontrolle geraten.
    Es ist etwas geschehen in Belgien – etwas, wovon du uns nichts erzählt hast.
    Du hast Gefühle entwickelt. Du warst vernarrt – verliebt – vergafft.
    Diese Anschuldigungen waren zutreffend – jedes einzelne Wort war wahr. Als sich die Dunkelheit über mein Zimmer herabsenkte, strömten die Erinnerungen mit Gewalt auf mich ein. Erinnerungen, die ich aus meinen Gedanken zu verbannen versucht hatte, Erinnerungen an eine Reise, zu der ich vor vier Jahren mit so viel Hoffnung aufgebrochen war, Erinnerungen an meine Reise nach Belgien.

NEUN
    Belgien! Wie viele, unendlich viele verworrene Gefühle fluten in meine Brust, wenn ich dieses Wort höre. Belgien! Der Name steht in meinen Gedanken als Synonym für eine Person und einen Ort, die beide einen solch tiefgehenden Einfluss auf mich ausübten, dass sie mein Leben unwiderruflich veränderten.
    Es war ein kalter, nasser Morgen, als Emily und ich an jenem 13. Februar 1842 einen ersten Blick auf die belgische Landschaft erhaschten. Dreiundzwanzig beziehungsweise fünfundzwanzig Jahre alt, waren wir entschlossen, noch einmal für sechs Monate die Schulbank zu drücken, um uns genügend Kenntnisse in der französischen und deutschen Sprache anzueignen, um eine eigene Schule führen zu können. Zu jener Zeit war Anne das zweite Jahr als Gouvernante in Thorp Green, Branwell arbeitete noch bei der Eisenbahn, und Tante Branwell, die uns großzügig die Mittel für unseren Bildungsaufenthalt zur Verfügung gestellt hatte, lebte noch und führte mit großer Tüchtigkeit den Pfarrhaushalt.
    Papa begleitete uns auf unserer Reise, und außerdem standen uns meine Freundin Mary Taylor und ihr Bruder Joe zur Seite, die beide schon mehrere Male die Überfahrt von London zum Kontinent gemacht hatten. Da die neue durchgehende Bahnverbindung zwischen dem Hafen von Ostende und Brüssel noch nicht eröffnet war, mussten wir die Postkutsche nehmen. Für diese beinahe siebzig Meilen benötigten wir einen ganzen Tag.
    »Was für eine trübselige Landschaft!«, beschwerte sich Joe Taylor (ein praktisch veranlagter und weit gereister jungerMann, der im Familiengeschäft, einer Wollmanufaktur, mitarbeitete) während der Fahrt. »Nur ödes, plattes Nichts.«
    »Ich finde die Landschaft gar nicht öde«, antwortete ich, während ich mit einem Lächeln aus dem Kutschenfenster schaute. »Sie sieht sehr schön aus in ihrem winterlichen Gewand.« Um der Wahrheit die Ehre zugeben, fielen unsere Augen während der gesamten Strecke nicht auf einen einzigen malerischen Gegenstand, aber für mich, die sich so sehr freute, in einem fremden Land zu sein, war alles wunderschön, mehr als malerisch. Als die Sonne unterging, begann es stark zu regnen, und durch den strömenden Regen und die sternenlose Dunkelheit hindurch konnte ich einen ersten Blick auf die Lichter Brüssels werfen.
    Wir verbrachten die Nacht in einem bequemen Hotel. Am nächsten Morgen verabschiedeten sich Mary und Joe Taylor von uns, denn Mary sollte wie ihre Schwester Martha das Château de Koekelberg, eine deutsche Schule für Höhere Töchter, besuchen.
    Das Pensionat Héger, eine »Maison d’éducation pour les jeunes demoiselles« 1 , lag in der Altstadt von Brüssel in der Rue d’Isabelle, einer schmalen Straße, die aus der Zeit der spanischen Besatzung stammte. Die Straße befand sich am unteren Ende einer Treppe, die zum Eingang des zentralen Stadtparks führte, ganz in der Nähe der Kirchen St. Michael und St. Gudula, deren Türme den ganzen Himmel auszufüllen

Weitere Kostenlose Bücher