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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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Streichhölzer kein Feuer machen, und ich wollte halt Marshmallows rösten. Verdammt, ich dachte, wir machen ein Lagerfeuer oder so was.«
    Er hatte es kaum aus der Jackentasche geholt, da riss Tyler es ihm schon aus der Hand, zog die beiden Mostflaschen heran und hielt die Flamme erst an den einen von Colins abgerissenen Ärmeln, dann an den anderen. Der Stoff war nass, hatte sich aber mit Benzin vollgesogen, und nach wenigen Sekunden fingen beide Feuer und brannten mit blaugelber |375| Flamme. Lucinda duckte sich, weil sie Angst hatte, die Flaschen könnten sofort explodieren.
    »Keine Sorge, so funktionieren die Dinger nicht«, sagte Tyler. »Glaube ich jedenfalls. Steve, du nimmst die da.«
    »Ich?«
    »Nein, der andere Steve. Mann, meine Schwester kann kaum mehr sitzen und Needle sieht aus, als wäre sein Arm gebrochen. Komm schon, Alter. Jetzt braucht’s Helden.« Doch obwohl er tapfere Töne spuckte, sah ihr Bruder blass und ängstlich aus, seine Lippen waren im schauerlichen Schein der Blitze fast blau.
    »Tu es nicht«, beschwor ihn Lucinda. »Das Ding hat schon Ragnar und Simos gekriegt.«
    Tyler schüttelte nur den Kopf. Er stand auf und hielt dabei die Flasche vom Gesicht weg. Steve tat es ihm nach.
    »Wenn wir das überleben«, sagte Steve, »muss ich mir mal dein Telefon ausleihen und zu Hause anrufen. Meine Eltern sind wahrscheinlich stinksauer.«
    Und dann liefen er und Tyler, von den schweren Flaschen behindert, mit ungelenken Sprüngen die Beete entlang.
    »Hebt die Füße hoch!«, hörte Tyler Lucinda schreien. »Lasst euch nicht von diesen weißen Dingern erwischen!«
    Es blitzte so grell, dass Lucinda überhaupt nichts sah, sie hörte nur den Donner, der sie erbeben ließ. Dann sah sie nahe der Stelle, wo Ragnar nicht mehr weitergekommen war, die beiden Flammen auf und ab hüpfen.
    »Ihr seid zu dicht dran!«, rief sie, aber Tyler schrie auch etwas.
    »Hochwerfen, Alter!«, rief ihr Bruder Steve zu. »Die Flaschen müssen zerbrechen!« Damit fasste er seine Flasche an dem Ring am Hals, drehte sich und schwang sie dabei mehrmals im Kreis wie ein olympischer Hammerwerfer, dann ließ |376| er sie los. Sie flog in die Luft und klatschte dann in den Matsch, ohne zu zerbrechen, einen knappen halben Meter vor den am Treibhaus aufgehäuften toten Tieren. Die Flamme brannte weiter, obwohl sie im Regen bedenklich flackerte, und das ausfließende Benzin bildete eine größer werdende, aber harmlose Pfütze mit blauem Feuer obendrauf.
    »Nein!«, schrie Tyler verzweifelt. »Steve, du musst es schaffen! Du musst das Treibhaus treffen!«
    Steve erstarrte, als der nächste Blitz die ganze Szenerie in eine Art Theaterbühne mit gestaffelten Kulissen verwandelte: erst die Gartenpflanzen, dann das Treibhaus, die Berge, der Himmel. Er bückte sich. Lucinda dachte schon, er wollte einfach die Mostflasche abstellen und sich geschlagen geben, doch er holte nur aus. Dann drehte er sich erstaunlich behende, die Flasche in beiden Händen, und ließ sie fliegen, so dass sie sich in der Luft überschlug und mit dem flammenden Lappen wie ein Feuerrad aussah. Ihr Bogen war nicht so hoch wie bei der von Tyler, aber sie flog etwas weiter, flog so weit, dass sie – Lucinda stockte das Herz –, ja, dass sie das Treibhaus erreichte.
    Sie prallte oben gegen den Rahmen, ohne zu zerbrechen, weil die daraus hervorwuchernden teigartigen Wülste den Aufschlag abpufferten. Einen Sekundenbruchteil kippelte sie, und es sah so aus, als ob sich der Grauenspilz die Flasche einfach einverleiben würde wie eine See-Anemone einen Fisch, aber sie war zu schwer. Sie fiel herunter, rollte über den Haufen toter Tiere und krachte gegen die andere Flasche, so dass beide zerbrachen. Feuer beleckte die Treibhauswände und das durchgebrochene teigige Pilzfleisch. Auch am Boden breitete es sich aus. Ein Zucken ging durch die weißen Tentakel, das nur Schock und Schmerz bedeuten konnte.
    !!!!!!!
    |377| Die Empfindungen, falls man bei so einem primitiven Organismus davon sprechen konnte, schossen durch Lucinda und warfen sie zu Boden, wo sie benommen liegenblieb, unfähig, Arme und Beine zu bewegen. Es war der schlimmste Schmerz, den sie jemals im Kopf gespürt hatte, ein feuriger Krampf, der sie packte und schüttelte wie das Maul eines großen Ungeheuers. Auch als das Schlimmste vorbei war, blieb sie noch lange liegen, vom Regen begossen, bis sie endlich die Kraft fand, sich wieder aufzurichten, obwohl die Nachwehen der Empfindungen, die den

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