Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
die Rückseite vom Spiegel. Das ist … was anderes.« Doch ob das wirklich stimmte, wusste er nicht. Es gab kein Schulbuch, in dem man das nachschlagen konnte.
»Ist mir doch egal, ob die bissigen Viecher, die uns umbringen wollen, aus einem Spiegel oder aus einem Loch im Boden oder aus einer Packung Haferflocken kommen«, sagte Steve nachdrücklich. »Bissige Viecher: ist gleich
schlechte Idee.«
»Kann sein, aber du bist allein in den Spiegel rein.
Ich
war es, der dich rausgeholt hat, wenn du mal zurückdenkst.« Dennoch konnte Tyler seinem Freund nicht wirklich widersprechen. Je länger sie über die dunklen Felder auf die drohend aufragenden Hügel zuliefen, umso weniger gefiel ihm sein eigener Plan.
Tyler hoffte, es war ein gutes Omen, dass sie die kleine Straße, die zu der Mine führte, ziemlich schnell fanden, als sie in die ersten Ausläufer der Hügel kamen. Geleitet von den Taschenlampen, die durch die dunkle Regenwand eine helle Schneise schnitten, stapften sie noch eine gute Meile bergauf, bis sie den Eingang der Mine erreichten, ein von alten Balken eingefasstes Loch am Fuß eines steilen Felsens. Als Sperre waren ein paar alte graue Bretter quer darübergenagelt, aber es gab kein Schild, auf dem »Betreten verboten! Vor allem für euch!« stand oder sonst etwas in der Art, das Tyler als eifriger Comicleser |251| erwartet hätte. Es gab zwar ein Schild, auf dem wohl einst der Name der Mine gestanden hatte, aber Regen, Wind und Sonne hatten das Holz schon vor langem abgescheuert. Sie mussten nur darunter hindurchtauchen, dann waren sie drin.
In der Ferne krachte der Donner. »Das darf nicht wahr sein«, sagte Steve und beäugte den Mineneingang mit Schaudern. »Mann, sieh dir das an! Wenn da keine Zombies drin leben! D-da … wollen wir rein?«
»Zombies leben doch überhaupt nicht, die sind tot. Und ja, da wollen wir rein.« Tyler stellte seinen Rucksack ab und nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche. »Du kannst ja hier draußen bleiben, wenn du willst. Deine Eltern haben inzwischen wahrscheinlich den Sheriff gerufen. Der bringt dich dann sicher gerne nach Hause.«
»Falls ich bis dahin noch lebe. Du bist ein Saftsack, Jenkins. Ich werde mich nicht hier draußen hinhocken und warten, dass die Wölfe und Bären mich fressen.«
Es donnerte abermals, näher diesmal. Über den fernen Bergen auf der anderen Seite von Standard Valley, hinter Gideons Farm, zuckte es leuchtend hell auf. »Tja, entweder die Polizei oder die wilden Tiere. Oder du könntest vom Blitz gebraten werden«, meinte Tyler. »Das wäre auch eine Möglichkeit.«
Steves rundes Gesicht verzerrte sich zu einer Miene äußersten Abscheus. »Du stinkst mich echt an, Alter. Du stinkst mich noch mehr an als Hausaufgaben.«
»Klaro. Ich geh vor.«
Der Anfang war leicht, denn zunächst einmal führten Stufen nach unten. Auf morschen alten Holztritten stiegen sie vorsichtig den roh in den Fels gebrochenen Schacht hinab, |252| bis Tyler schätzte, dass sie ungefähr vier oder fünf Stockwerke tief gekommen waren. Steves Großvater und seine Arbeiter (oder wer auch immer) hatten die Stiegen und Leitern gut gebaut; sie knarrten und wackelten, aber man fühlte sich nicht ernsthaft in Gefahr, obwohl Steve so tat, als könnten sie jeden Augenblick hilflos in den Schlund der Erde stürzen.
»Guck«, sagte Tyler und zeigte mit der Taschenlampe nach unten. »Man kann schon den Boden sehen. Es ist wie Bäumeklettern. Stell dir einfach vor, es wäre ein Vierundsechzig-Bit-Spiel.«
»Heißt das, da unten ist irgendwo ein Riesengorilla, der gleich anfängt, Fässer nach uns zu schmeißen?«
»Ho-ho.« Anscheinend war Tyler inzwischen am Eingang des Hauptstollens angekommen. Er leuchtete umher. Die letzte Leiter endete in einer natürlichen Höhle, in der man bequem stehen konnte, aber die drei davon abzweigenden Gänge sahen deutlich niedriger und schmaler aus. »Welchen sollten wir nehmen, was meinst du?«
»Klar, Mann«, sagte Steve, »ich lass eben mal schnell meinen Cyborg-Spürhund von der Leine.« Seine Finger huschten flink über A- und B-Taste einer imaginären Spielkonsole, dann sah er Tyler stirnrunzelnd an. »Im Ernst, Alter, das ist
dein
Job.«
Tyler ging am Fuß der Leiter in die Hocke und dachte nach. Er legte den Kopf schief, schnupperte sogar die warme, feuchte Luft. Wenn es ein Film gewesen wäre, hätte er jetzt etwas gespürt oder gehört und einen brillanten Schluss daraus gezogen, aber es war kein Film. Er strich mit dem
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