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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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sie bei sich, aber sie zürnte ihrem Bruder wesentlich mehr, als sie ihn bedauerte.
Wie kann er so was machen? Weiß er nicht, wie gefährlich das ist?
Dass er in ein altes Bergwerk absteigen wollte, war allein schon schlimm genug und eine ausgesprochen tylertypische Dummheit, aber selbst wenn er so tatsächlich |259| einen Weg zur Tinkerfarm fand, was wollte er dort machen? Es war Nacht, gefährliche Tiere liefen frei herum, und Desta zufolge durchaus nicht dort, wo sie hingehörten.
    Plötzlich war sie nicht mehr zornig, sondern hatte einfach nur noch Angst, große Angst. Ihr war, als ob in dieser Nacht alles auf dem Spiel stand: Tyler, die Farm, die Drachen. Und was tat sie? Sie wartete darauf, dass Ragnar zurückkam. Und wenn er jetzt nicht kam?
    Lucinda warf sich wieder auf die Couch und versuchte, ihr Buch weiterzulesen, aber es war ihr so gut wie unmöglich, mit den Augen auf der Seite zu bleiben – ständig schwammen ihr die Worte davon wie verschreckte Fische.
    Sie hätte es zunächst beinahe überhört, weil gerade ein Donnerschlag derart laut krachte, als wäre er direkt über ihr, doch als er verklang, war es immer noch, als ob das ganze Haus wackelte.
Bumm, bumm, bumm!
Wer es auch war, der da an der Haustür der Carrillos klopfte, er meinte es ernst:
bumm, bumm, bumm, bumm!
Lucinda sprang von der Couch, blieb aber dann vor der Tür stehen.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin’s«, sagte eine Männerstimme, die weder Ragnar noch sonst jemandem gehörte, den sie kannte. Ihr Herz begann zu flattern. »Wir hatten eine Verabredung, schon vergessen?«
    Lucinda vergewisserte sich, dass die Kette vorhing, ehe sie die Tür aufmachte. Als sie hinauslugte, sah sie die Bäume im Wind schwanken und den Regen wie einen Vorhang vorüberziehen. Vor der Tür stand ein gepflegt aussehender älterer Mann in einer teuren Windjacke, die grauen Haare vom Sturm zerzaust.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Wer bist
du?«,
gab er scharf zurück. Lucinda fand, dass |260| das nicht sehr höflich war. »Ich will zu Silvia und Hector Carrillo.«
    »Sie sind nicht da.« Er kam ihr irgendwie bekannt vor. »Sie müssen ein andermal wiederkommen.«
    »Den Teufel werde ich tun. Ich warte hier.« Seine Augen verengten sich. »Moment mal. Dich kenne ich doch?« Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. »Ich weiß, wer du bist. Du bist eines der Jenkins-Kinder.«
    »Ich weiß nicht … ich weiß nicht, was …« Lucinda war auf einmal klargeworden, wer der Mann war. Sie versuchte, die Tür zu schließen, doch der Mann stellte seinen Fuß dazwischen.
    »Nicht.« Sein Ton war sachlich, es war keine Bitte. »Dort im Wagen sitzen zwei kräftige Männer.« Er deutete mit einem Nicken auf das in der Auffahrt stehende schwarze Luxusfahrzeug. Selbst im gleißenden Licht eines Blitzes, der vom Himmel herabzuckte, konnte Lucinda nicht durch die Scheiben ins Wageninnere schauen. »Wenn ich sie rufe, treten sie diese Tür ein und es wird sehr schnell ungemütlich. Lässt du mich jetzt vielleicht ein, kleines Fräulein?«
    »Sie sind Edward Stillman, nicht wahr? Der Mann, der Onkel Gideons Farm haben will.« Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es wäre Wahnsinn, ihn einzulassen, oder? Aber die Carrillos kannten ihn und hatten mit ihm geredet, das hatte Lucinda sie mehrmals sagen hören. Schließlich zog sie die Kette aus dem Schlitz und trat zurück.
    »Sehr vernünftig.« Stillman trat ein und wischte sich das Wasser von Haaren und Schultern. »Das erste Mal seit langem, dass jemand von der Ordinary Farm etwas Intelligentes tut.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß, zum Glück nicht auf die schmierige Altmännerart, aber auch nicht wie ein normaler, netter Erwachsener. »Du heißt Linda, nicht wahr?«
    |261| »Nein, Lucinda.«
    »Ah ja. Und dein Bruder heißt Tyler. Wo ist er? Und warum musstest du hierbleiben, wo doch heute dein großer Abend ist, Aschenputtel? Weißt du nicht, was heute Abend im Haus deines Großonkels stattfinden soll?«
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach, es sei denn, er hatte irgendwie davon Wind bekommen, dass die Mantikore frei herumliefen, aber das war unwahrscheinlich. »Mein Bruder ist nicht da. Die Carrillos auch nicht. Ich denke, Sie sollten lieber gehen. Sonst … sonst rufe ich die Polizei.«
    Stillman lachte. »Was, du willst beim Sheriff von Yokuts County anrufen? An einem solchen Abend sitzt das ganze Revier bei Rosie’s, nimmt ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee ins Kreuzverhör und freut sich, ein Dach

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