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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Hinweisen, die Crispus entlastet hätten. Stattdessen fand er nur weiteres Belastungsmaterial. Briefe von Crispus, in denen er prahlt: Wenn ich einmal alleiniger Augustus bin … Truhen voller Münzen, geprägt mit seinen Insignien. Zwei Hauptmänner der kaiserlichen Leibgarde traten vor und sagten aus, Crispus habe von ihnen verlangt, ihre Männer bereitzustellen, um den Palast zu sichern. Aber niemand konnte erklären, warum Crispus, wenn er denn in einem Staatsstreich die Macht an sich reißen wollte, den ersten Schlag gegen seine jungen Brüder führte und nicht gegen Konstantin.
    «Die Bleirolle, die unter meinem Bett gefunden wurde – sie ist mir nie zu Gesicht gekommen. Ich hatte keine Ahnung, dass sie dort lag.»
    «Das tut nichts zur Sache.»
    «Wirklich nicht?» Er schaut übers Meer auf die Sonne, die flammend hinten am Horizont versinkt. «Du hast wohl recht.»
    «Du hast deinem Vater das Herz gebrochen», sage ich.
    Immerhin hört er mir zu. Mit verzerrtem Gesicht dreht er sich um. «Ich habe nichts getan. Nichts! Wenn mein Vater nicht mir, sondern den Lügen der anderen glaubt, bricht er sich selbst das Herz.»
    Ich versuche, der Bitterkeit die Spitze zu nehmen. «Welche anderen?»
    «Kommst du nicht selbst darauf?» Am Strand liegt eine leere Krebsschale, längst ausgehöhlt von Möwen. Er betastet sie mit seinen Zehen. «Wer hat mich angeklagt? Wem nutzt es? Wenn es mich nicht mehr gibt, werden Faustas Kinder das Reich erben.»
    «Vielleicht.»
    Er zertritt den dünnen Krebspanzer. «Bin ich der Einzige, dem die nackte Wahrheit ins Gesicht starrt? Siehst du sie nicht? Ist sie dir gleichgültig?»
    Crispus setzt sich in Bewegung. Er geht auf das Wasser zu und zuckt ein wenig zusammen, als die Wellen erneut über seine Füße schwappen.
    «Ich liebe ihn», sagt er, dem Meer zugewandt. «Mehr, als jeder andere Sohn seinen Vater liebt. Ich würde für ihn sterben.» Er hält inne und zwingt sich, langsamer zu atmen. «Das werde ich jetzt wohl unter Beweis stellen müssen.»
    Ich löse den Gurt, der den Lederbeutel verschlossen hält, und hole die Flasche heraus. «Das hat mir dein Vater für dich mitgegeben.»
    Konstantin hatte Tränen in den Augen, als er mir den Beutel gab. Jetzt kommen sie mir. Bitte , flehe ich stumm, mach es mir nicht noch schwerer.
    Aber es ist sein Leben, um das es geht. Er betrachtet die Flasche, berührt sie aber nicht.
    «Verlang das nicht von mir.»
    «Glaubst du denn, fliehen zu können? Unerkannt zu bleiben? Deine Statue steht auf jedem Forum zwischen York und Alexandria. Du würdest keine Woche überstehen.»
    Ich trete auf ihn zu, drücke ihm die Flasche in die Hand und lege meine darum. Wie ein Bräutigam, der der Braut sein Liebespfand aufzudrängen versucht. Crispus weicht vor mir zurück, doch ich halte ihn fest. Ich habe nur diese eine Flasche mitgebracht.
    «Es ist ein ehrenvoller Tod.» Die Lüge schmeckt wie Schmutz in meinem Mund. Er nimmt sie mir nicht ab. Ehrenhaft ist vielleicht der Freitod nach dem gescheiterten Versuch, die Republik gegen Feinde zu verteidigen. An einem verlassenen Strand den Saft von Eisenhut zu trinken, um es den Mördern bequem zu machen, ist weit davon entfernt.
    «Es ist eine Sünde wider Gott, selbst Hand an sich zu legen», sagt Crispus.
    «Überlassen wir das Urteil ihm.»
    Er geht darauf nicht ein. Sein müdes Gesicht ist voller Verzweiflung.
    «Du bist ein alter Freund, Gaius. Willst du mir meinen letzten Trost nehmen?»
    «Mir sind die Hände gebunden.»
    «Ich will nicht schuldig sterben», fleht er. «Lass mir meine Unschuld. Sie ist alles, was mir geblieben ist.» Ich schüttele den Kopf, aber er fährt fort: «Was glaubst du, warum mein Vater dich geschickt hat und nicht irgendeinen seiner Legionäre? Er wusste, dass du das Richtige tust.»
    Er wusste, wie schwer es mir fallen wird , denke ich. Er will seinen Schmerz nicht allein tragen und sicherstellen, dass ein anderer ebenso leidet wie er, sich ebenso schuldig macht.
    Crispus reißt sich plötzlich von mir los. Ich habe nicht damit gerechnet, und bevor ich reagieren kann, springt er zur Seite und holt mit dem Arm aus, um das Gift ins Meer zu schleudern.
    Ich rühre mich nicht vom Fleck. «Wenn du das tust, bist du nicht besser als dein Vater.»
    «Und wenn du mich dazu zwingst? Wie gut oder schlecht stehst du dann da?»
    Ich schaue ihn an und sehe in ihm seinen Vater zwanzig Jahre zuvor: die zerzausten Haare, das schöne Gesicht, die lebendigen Augen.
    Er hält mir die

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