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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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umgekehrt?«
    »Menschen können sich ändern«, beharrte Avi. »Außerdem habe ich das Recht, mich frei zu entscheiden.«
    Arethusa küsste den Eidechsenvogel auf den Schnabel und hob die Hand, worauf der Vogel in seinen Käfig zurückkehrte. Sie schnippte mit den Fingern, und die Käfigtür schloss sich. »Entscheidungen gehen stets mit moralischen Verpflichtungen einher, Avi. Die Prophezeiung ist nichts weiter als ein Kinderreim. Ich würde vorschlagen, dass du das alles vergisst.«
    »Ich habe bereits genug vergessen, vielen Dank.«
    Plötzlich beugte Arethusa sich über das Sofa und streichelte ihm lächelnd über die Wange. »Wie deine Augen funkeln, wenn du dich ärgerst! Du hast so ein Feuer in dir. Genau wie …« Sie hielt inne und griff in ihr Gewand. »Da fällt mir ein, ich habe noch etwas für dich.«
    Sie förderte eine silberne Kette zutage, an der ein Kristall, etwa so groß wie Avis Faust, hing. Als sie leicht darauf drückte, züngelte in dem Kristall eine leuchtend weiße Flamme empor. Geblendet wandte Avi sich ab.
    »Das Feuer brennt etwa eine Stunde«, erklärte Arethusa. »Dann braucht der Kristall einen Tag, um sich wieder zu erholen. Eigentlich ist es nur ein Spielzeug, aber ein sehr hübsches.«
    Avi stand auf. »Ich will keine Geschenke von dir«, sagte er. »Jeden Tag gibst du mir etwas. Doch das ist es nicht, was ich brauche.«
    Arethusa verzog keine Miene. »Was brauchst du dann, Avi?«
    Avi blickte zum Fenster. Als er beschlossen hatte, mit Brucie zurückzukehren, war ihm die Entscheidung richtig und wie ein Nachhausekommen erschienen, inzwischen jedoch war er nicht mehr sicher, ob er überhaupt ein Zuhause hatte.

    Und so lungerte er weiter im Palast herum und suchte nach einem Weg, seinem Ärger Luft zu machen. Wieder ging er in die Skulpturengalerie, in der Hoffnung, dort wie vorhin Frieden zu finden. Doch die Sonne war hinter Wolken verschwunden, so dass der Raum im Schatten lag und die Statuen geduckt und ängstlich wirkten. Zwischen ihnen fühlte er sich wie ein Eindringling. Er trat nach einem Goblin aus Stein, der mit mürrischer Miene den Inhalt eines Sacks in Augenschein nahm. Die Statue wackelte, blieb aber stehen. Dann jedoch fiel ihm eine andere Skulptur gleich dahinter auf. Sie stellte drei Personen dar: eine junge Frau mit einem kleinen Jungen neben sich und einem Baby auf dem Knie. Das Gesicht des kleinen Jungen strahlte etwas Magisches aus.
    »Erkennst du ihn?«, fragte eine Stimme vom anderen Ende der Galerie aus.
    Avi wirbelte herum. Xander stand in der Tür.
    »Bin das …?«, begann er.
    »Natürlich bist du das«, erwiderte Xander. »So sehr hast du dich nicht verändert, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Wer sind die anderen?«, fragte Avi und strich mit den Fingern über das Gesicht der Frau. Sie war ausgezeichnet getroffen, doch ihr wunderschönes Gesicht wirkte traurig. Avi wurde klar, dass er sie schon irgendwo einmal getroffen hatte.
    In meinen Erinnerungen, dachte Avi. Das Dienstmädchen mit den rosigen Wangen, das mich beim Bankett »junger Herr« genannt hat.
    »Das Baby ist Levi«, sagte Xander. »Und die Frau ist das Kindermädchen, das sich um euch beide gekümmert hat.«
    Levis unschuldiges Gesicht sorgte dafür, dass Avi kurz von Trauer ergriffen wurde. »Eigentlich ist er kein schlechter Mensch«, meinte er. »Er hat nur so viel verloren. Seine gesamte Kindheit. Außerdem behandelt sein Vater ihn wie den letzten Trottel.«
    »Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, entgegnete Xander und näherte sich auf dem glatten Marmorboden. Vor Avi blieb er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, stehen. Trotz seines runzeligen Gesichts machten seine Augen einen wachen und jungen Eindruck. Er schien sich in dieser Körperhaltung wohl zu fühlen, als könnte er ewig so stehen bleiben.
    »Ich sollte jetzt gehen«, setzte Avi an, doch er rührte sich nicht.
    Xander stand einfach weiter reglos da.
    »Was willst du?«, fragte Avi.
    »Ach, eine Frage.«
    »Darf ich denn keine Fragen stellen?«
    »Und noch eine.« Der Kobold tippte sich mit dem Zeigefinger an die Lippen. »Meiner Ansicht nach ist das Problem, Avi, dass dein Kopf voller Ungewissheit steckt.«
    Avi erstarrte und schwieg.
    »Habe ich recht?«, hakte Xander nach.
    »Vermutlich schon.«
    »Nun, dann bin ich genau der richtige Kobold für dich, denn ich strotze genauso vor Antworten wie du vor Fragen.« Er beugte sich mit verschwörerischer Miene vor. »Außerdem kann ich dir

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