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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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sein.«
    »Warum? Hypnotisieren die einen sonst?«, gab Avi zurück.
    »Nein, sie bestehen aus Stein.«
    »Stein? Also sind sie blind?«
    »Ganz im Gegenteil. Sie sehen besser als du und ich. Außerdem können sie in die Zukunft blicken.«
    »Die Zukunft?«
    »Ja. Ihre Augen sind wie Orakel, die die Gegenwart mit Bildern aus der Zukunft überlagern. Allerdings schauen sie nur ein paar Minuten voraus, und die Eindrücke sind schattenhaft wie Phantome. Aber es macht sie in gewisser Weise zu Hellsehern.« Er lächelte. »Deshalb sind sie auch so schwer zu erwischen.«
    Sie schlugen einen Bogen links um die Wölfe und achteten darauf, sich gut hinter dem Schilf zu verstecken. Xander nahm eine kleine Armbrust aus einem Lederbeutel, den er unter dem Arm trug, und klappte sie auf, indem er einen Hebel an der Seite der Waffe betätigte.
    »Wo ist deine Munition?«, flüsterte Avi. »Die Pfeile oder was man sonst dafür benutzt?«
    Xander lächelte, tauchte den Finger in den Schlamm, suchte eine Weile herum und förderte eine Handvoll Steine zutage. Er sortierte sie und warf sie bis auf einen einzigen glatten Kieselstein wieder weg.
    »Das ist eine Steinarmbrust«, erklärte er und legte den Stein in eine kleine Ausbuchtung im Rahmen der Waffe. »Eine sehr alte und tödliche Waffe. Meine Freunde lachen mich aus, weil ich sie noch benutze, aber ich sage immer, es wäre eben eine Marotte von mir. Sie hat keine gute Reichweite, dafür jedoch einen gewaltigen Vorteil gegenüber allen Waffen, die mir je untergekommen sind.«
    »Und der wäre?«
    »Es geht einem nie die Munition aus.«
    Sie schlichen sich näher heran. Inzwischen konnte Avi die Wölfe sehen, gewaltige Tiere mit tief hängenden Köpfen und borstigen Schultern. Sie fraßen etwas. Als der Wind drehte, hörte er ein Schmatzen und das Knacken von Knochen.
    »Möchtest du abdrücken?«, fragte Xander und hielt Avi die Armbrust hin.
    Verglichen mit den Wölfen wirkte die Waffe sehr winzig. Avi erinnerte sich daran, wie sich der Spieß des Goblins in seiner Hand angefühlt hatte, und wünschte, er hätte ihn jetzt bei sich gehabt.
    »Ich schaue lieber zu«, antwortete er.
    Xander legte die Waffe an. In diesem Moment wurden sie von den Wölfen entdeckt.
    Avi stellte fest, dass er dem Größeren der beiden genau in die Augen starrte. Es war, als schaue man in einen Abgrund hinunter. Es waren ausdruckslose weiße Kugeln, tote Augen. Doch wenn Xander die Wahrheit gesagt hatte, sahen sie mehr, als Avi sich ausmalen konnte.
    Die Wölfe trennten sich. Einer lief nach links, der andere nach rechts. Sie rannten so schnell, dass sie den Morast zu einer graugrünen Brühe aufwirbelten. Xander legte auf den Größeren an, zielte ein wenig voraus, um ihm den Fluchtweg abzuschneiden, und schoss.
    Avi konnte dem Flug des Steins kaum folgen. Der Wolf heulte auf und stürzte bäuchlings in den Sumpf. Dann jedoch rappelte er sich auf und floh mit einem leichten Hinken weiter.
    Der kleinere Wolf hielt nicht in seinem Lauf inne. Das Wasser spritzte von seinen Pfoten. Er hatte einen weiten Bogen nach links geschlagen und war immer noch etwa hundert Meter entfernt. »Noch ein Wurfgeschoss, wenn es dir nichts ausmacht«, forderte Xander Avi auf und kurbelte den Mechanismus zurück. Rasch fand Avi einen Stein und reichte ihn ihm.
    »Nicht rund genug«, sagte Xander ruhig und warf ihn weg.
    Hektisch suchte Avi einen anderen, denn der größere Wolf schien in seinem Blutdurst die Verletzung vergessen zu haben. Endlich entdeckte er einen runden Stein und reichte ihn Xander. Der Kobold lud die Armbrust, zielte und schoss. Diesmal überschlug sich der Wolf und stand nicht mehr auf. Der Kleinere rannte noch immer weiter und hatte sich inzwischen auf fünfzig Meter genähert.
    »Willst du es ganz bestimmt nicht einmal selbst versuchen?«, fragte Xander.
    Avi bekam vor Angst eine Gänsehaut. »Nein«, erwiderte er und reichte Xander rasch einen neuen Stein. »Erschieß ihn einfach.«
    Xander legte den Stein ein, kniff ein Auge zu, legte auf das näher kommende Tier an und schoss.
    Aber der Wolf hatte sich bereits geduckt, so dass der Stein ihn um eine Handbreit verfehlte und in einen morschen Baumstumpf einschlug. Das Holz zerbarst in Tausende von Splittern.
    Der Wolf senkte den Kopf und raste auf sie zu. Seine Schultern hoben und senkten sich wie Kolben. Die steinernen Augen saugten das Dämmerlicht auf. Avi konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
    Als er ein Klappern hörte, drehte er sich dennoch um.

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