Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Weg.«
Draußen war es kalt, und Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Der Himmel erinnerte an eine Stahlplatte, auf der immer wieder Blitze zuckten. Donner grollte über dem Fluss.
Xander erwartete sie an der Treppe, die vom Palast zum Haupttor führte. Ungeduldig stampfte er mit den Füßen und rieb sich die Hände, um sich zu wärmen.
»Ihr kommt spät«, stellte er fest.
»Schneller ging es nicht«, sagte Avi.
»Zeit ist alles, Avi. Möchtest du immer noch fort von hier?«
Avi dachte nicht lange über die Frage nach. »Ich will nicht länger gefangen gehalten werden, sondern selbst meine Entscheidungen treffen«, entgegnete er.
Xander nickte knapp. »Also gut. Wenn du die Alternativen hören willst, hier sind sie: Du kannst entweder als Gefangener deiner Mutter hierbleiben oder mich begleiten und deinen rechtmäßigen Platz auf dem Feenthron einnehmen.«
Als Brucie nach Luft schnappte, öffnete Xander Avis Mantel und förderte die versteckte Elfe zutage.
»Was hat die hier zu suchen?«, fragte er.
»Du bist nicht der Einzige, der hier Bedingungen stellt«, gab Avi zurück. »Wo ich hingehe, geht sie auch hin.«
Xander seufzte. »Meinetwegen. Und? Bist du einverstanden?«
Avi sah Brucie an. »Was hältst du davon?«, erkundigte er sich. »Tue ich das Richtige?«
»Wie der Kobold schon gesagt hat, liegt die Entscheidung bei dir«, lautete ihre Antwort.
Hannah, die trotz ihres Pelzmantels zitterte, nickte zustimmend.
»Als ich in der Welt der Sterblichen erwachte«, begann Avi, »wusste ich nicht, wer ich war und wo meine Heimat ist. Kellen hat versucht, mich mit Gewalt hierher zu verschleppen. Roosevelt meinte, ich würde in dieses Reich gehören. Arethusa hat mich weggeschickt und anschließend eingesperrt. Nun, ich habe es satt, herumkommandiert zu werden. Ich werde diesen Thron übernehmen. Nicht, weil ich es will oder weil es jemand von mir verlangt, sondern weil ich glaube, dass es mir bestimmt ist.«
Hannah drückte seine Hand. »Ich bin stolz auf dich.«
»Nun gut«, erwiderte Xander. »Dann müssen wir jetzt los. Das Zeitfenster ist sehr klein.«
Avi lachte auf. »Welches Fenster? Wie genau willst du uns hier herausschmuggeln, Xander?«
»Na, selbstverständlich durch das Haupttor!«
»Das Haupttor? Und wie beabsichtigst du, uns an den Wachen vorbeizuschmuggeln?«
»Nicht ich.« Grinsend deutete der alte Kobold auf Hannah. »Sie.«
Kapitel 32
I ch habe es immer nur mit kleinen Tieren probiert«, protestierte Hannah. »Ratten, Spinnen und so weiter.«
»Du hast die Raben auf dem Turm gelenkt«, wandte Avi ein. »Los, Hannah, ich weiß, dass du es schaffst.«
Trotz ihrer zweifelnden Miene schlüpfte Hannah aus ihrem Mantel und trat von der Veranda auf die Palaststufen.
»Wirst du nicht frieren?«, fragte Avi.
»Ich muss die Luft spüren.«
Nachts sammelten sich die Tiere aus Arethusas Menagerie an den wichtigsten Straßen, die zum Palast und davon wegführten. Am Haupttor hatten sich einige von ihnen eingefunden, die Avi erkannte: der Gatorhahn, die blitzschnelle Katze von der Wiese und außerdem weitere kleinere Geschöpfe, die ihm noch nicht begegnet waren. Es befanden sich auch Füchse darunter, die ihn an die Kundschafter in Greenwich erinnerten.
Wie Hannah in ihrem weißen Hemd auf den Stufen stand, sah sie sehr schutzlos aus. Und tatsächlich kroch der Gatorhahn bereits durch den Schnee auf sie zu und schlug fauchend mit seinem Krokodilsschwanz aus. Die Füchse schlossen sich ihm an, gefolgt von einer Gruppe zweiköpfiger Schlangen.
»Hannah, pass auf!«, rief Avi, aber Xander legte ihm die Hand auf den Arm.
»Pssst«, mahnte der Kobold. »Schau zu.«
Hannah ballte die Fäuste und hob den Kopf.
Blitze zerteilten den Himmel. Sekunden später grollte Donner, aber weder Hannah noch die Tiere achteten darauf. Die Vorderkrallen des Gatorhahns hatten bereits die unterste Stufe erreicht. Die Schlangen, die unbedingt die Führung übernehmen wollten, glitten über seinen Rücken hinweg. Hannah schloss die Augen, ihre Lippen bewegten sich lautlos. Avi sah, wie sich die Sehnen ihrer Handgelenke unter der Haut anspannten und ihr Körper zu zittern begann.
Auf halbem Weg die Treppe hinauf wurde der Gatorhahn langsamer. Sein Kopf sank herab, bis der Schnabel die Steinstufen berührte. Er nahm sich noch einmal zusammen und machte einen unsicheren Schritt, dann gaben die schuppigen Beine nach. Er kippte zur Seite und fing an zu schnarchen.
Als Hannah begann, sich in Krämpfen zu
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