Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Wrack des Geräts tauchten zwei arg mitgenommene Gestalten auf: die verbliebenen Kundschafter. Beide bluteten, und sie hinkten knurrend auf Avi zu. Als helle Lichtstrahlen auf ihre blutrünstigen Gesichter fielen, fuhren sie zurück. Inzwischen sahen sie noch menschlicher aus, waren jedoch weiterhin mager und hatten spitze Gesichter und schrägstehende Augen. Ihre spiralförmigen Ohren lagen eng am Kopf an.
»Keine Bewegung!«, erklang eine Stimme aus dem Flur.
»Hier sieht es ja aus, als hätte jemand eine Bombe geworfen«, fügte eine andere hinzu, die Avi erkannte. Es war der Wachmann. Neben ihm standen fünf Polizisten. Sie hatten Gegenstände in der Hand, die Avi auf den ersten Blick für Pistolen hielt, doch dann stellte er fest, dass es Taschenlampen waren.
In den Überresten des Planetariums lag ein grell rosafarbener Gegenstand. Hannahs Handtasche. Erst in diesem Moment wurde Avi endgültig klar, dass sie fort war.
Kapitel 14
A bgesehen von ein paar Kratzern war Avi unverletzt. Aber die beiden Kundschafter hinkten, und Roosevelt schien Schwierigkeiten beim Atmen zu haben. Die roten Striemen an seinem wabbeligen Hals waren ein Beweis dafür, dass es seinem Gegner beinahe gelungen wäre, ihn zu erwürgen. Als ein Polizist sich nach seinem Namen erkundigte, brachte er nur ein Krächzen heraus.
Avi gab den Polizisten Sebastian als seinen Namen an und wurde von der Frage nach dem Familiennamen ein wenig aus dem Konzept gebracht.
»Sebastian Khan«, sagte er. Sie musterten ihn neugierig und wollten dann wissen, ob er Kontaktlinsen trüge, was er bejahte.
Alle vier wurden in Handschellen gelegt und zum Ausgang gebracht. Jeder Schritt entfernte Avi weiter von Hannah. Er spürte ihre Abwesenheit im Magen – ein scheußliches, quälendes Gefühl. Immer wieder sah er ihre schmetterlingsähnliche Hand vor sich, die ihm aus dem Strudel der Brücke panisch zuwinkte. Er fragte sich, ob sie wohl im Feenreich war und ob sie noch lebte. Währenddessen debattierte Roosevelt mit den Polizisten.
»Wenn Sie bitte so gut wären, Sir, diese grässlichen Fesseln zu entfernen?«
Der Polizist griff zögernd nach dem Schlüssel und hatte die Handschellen schon beinahe geöffnet, als einer seiner Kollegen hinzutrat und ihm den Schlüssel wegnahm. »Was zum Teufel tun Sie da, Constable? Der Mann ist verhaftet.«
»Ich … ich weiß nicht«, erwiderte der Polizist verdattert.
»Ich halte das wirklich für überflüssig«, beharrte Roosevelt. »Ein einfacher Irrtum. Wenn Sie uns gehen lassen, werden wir Sie nicht weiter belästigen.« Er lächelte breit.
Der vorgesetzte Polizist erwiderte das Lächeln nicht. »Es reicht. Wir bringen Sie jetzt ins Gefängnis.«
Offenbar wirkten Roosevelts Überzeugungskünste nicht immer.
Sie traten durch die Eingangstür ins grelle Licht hinaus. Avi stellte fest, dass sich die Kundschafter schon wieder verändert hatten. Ihre Gesichter waren nicht mehr so spitz, und ihr Fell hatte sich in locker sitzende Kleidungsstücke verwandelt, die wie Jogginganzüge aussahen. Langes Fell, als Stoff getarnt. Für Avi war es offensichtlich, doch die Polizisten hatten es nicht bemerkt.
Brucie war wie vom Erdboden verschluckt.
Das Licht kam von den Scheinwerfern der zwei Streifenwagen, die auf dem Hof des Observatoriums parkten. Einer stand in der östlichen Hemisphäre, der andere in der westlichen. Dazwischen, auf dem Breitengrad, befand sich ein Motorrad.
Avi presste den Arm gegen die Ausbuchtung unter seinem Mantel: Hannahs Handtasche, die er aus den Trümmern gerettet und vor der Verhaftung in der Mantelinnentasche verstaut hatte.
Werde ich je Gelegenheit haben, sie ihr zurückzugeben?
Auf halbem Weg zu den Autos bekam Roosevelt einen Hustenanfall. Die Polizisten traten erschrocken zurück, während der massige Körper ihres Gefangenen von seismischen Schwingungen erschüttert wurde. Als die Polizisten abgelenkt waren, nutzten die beiden Kundschafter die Gunst der Stunde.
Avi wurde durch das wohlbekannte Knirschen darauf aufmerksam. Sofort drehte er sich um und wusste, was nun geschehen würde, doch den Kundschaftern gelang es, selbst ihn zu überraschen.
Ihre Körper begannen gleichzeitig, sich zu verwandeln. Knochen gruppierten sich unter der Haut um, Fleisch wurde fließend – nur dass sie diesmal nicht wieder zu Füchsen wurden.
Erst wurde die Kleidung zu Fell, das sich jedoch zurückzog, härter wurde und bald orangefarbenen Schuppen ähnelte. Arme und Beine verschwanden, während
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