Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Mutter«, murmelte er.
»Sie ist auch die Königin, und noch dazu eine recht reizbare«, erklärte Roosevelt und wandte sich wieder an Brucie. »Mich würde interessieren, woher du deine Informationen hast. Für gewöhnlich sind meine Quellen sehr zuverlässig.«
»Elfen kommen und gehen«, erwiderte Brucie. »Es liegt ihnen nun mal in den Flügeln.«
»Willst du behaupten, dass deine Talente sich so weit erstrecken, auch das Kommen und Gehen anderer zu erahnen?« Roosevelt schien ehrlich erstaunt.
»Wir schnappen eben so manches auf.«
Avi fühlte sich ein wenig aus dem Gespräch ausgeschlossen. »Was ist an dem Burschen, den wir besuchen wollen, denn so besonders?«, fragte er. »Dass er ein Verbrecher sein soll, macht ihn nicht unbedingt vertrauenswürdig.«
»Fugit kann Uhren anhalten«, entgegnete Brucie.
» Was tut er?«
Roosevelt versetzte dem Rucksack einen Stoß mit dem Ellbogen. »Die Elfe meint damit, dass er die Zeit beeinflusst. Das Anhalten von Uhren ist nur ein kleiner Teil seiner Fähigkeiten. Je nach Belieben kann er dafür sorgen, dass die Zeit schnell oder langsam vergeht oder sogar stehenbleibt.«
»Das ist ja unglaublich«, meinte Avi.
»Und außerdem einzigartig«, ergänzte Roosevelt. »Von allen Einwohnern des Feenreichs verfügt nur Fugit über diese außergewöhnliche Begabung.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was er für uns tun kann«, wandte Avi ein. Doch sobald er die Worte ausgesprochen hatte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Brucie schob Roosevelts Ellbogen beiseite und hüpfte aus dem Rucksack. »Wir werden ihn bitten, die Zeit zu beschleunigen«, verkündete sie. »Die vier Monate zwischen dem heutigen Tag und der Winter-Tagundnachtgleiche überspringen wir einfach. Wenn du Glück hast, hältst du Hannah noch heute Abend in deinen Armen!«
»Ich habe nie behauptet, dass ich sie in den Armen halten will«, murmelte Avi errötend.
»Ich habe den Verdacht«, merkte Roosevelt an, »dass Fugit bei den jüngsten Ereignissen die Hand im Spiel gehabt haben könnte. Hast du mir nicht geschildert, Avi, die Zeit sei stehengeblieben, als Kellen dich im Krankenhaus besucht und anschließend dich und das Mädchen verfolgt hat?«
»Sie heißt Hannah. Und ja, genau das ist passiert. Glaubst du, dass Fugit dahintersteckt?«
»Ich wüsste nicht, wer sonst.«
Avi brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Er konnte sich kaum vorstellen, dass es möglich sein sollte, an der Zeit herumzudrehen. Allerdings hatte er genau das erlebt, und es war auch nicht seltsamer als die übrigen Ereignisse der letzten Tage.
»Wir müssen vorsichtig sein«, sagte Brucie. »Fugit ist ziemlich übellaunig, selbst wenn er einen guten Tag hat. Und heute hat er vielleicht keinen.«
»Was soll das heißen?«
»Nun, damit Fugit die Zeit beschleunigt, müssen wir ihn amüsieren. Du kennst doch das alte Sprichwort, dass die Zeit nur so fliegt, wenn man Spaß hat.«
»Lass mich raten«, meinte Avi. »Wenn man die Dinge verlangsamen will, muss man ihn traurig machen.«
»Genau. Und das heißt, dass Kellen ihn irgendwie dazu gebracht haben muss, die Zeit so in die Länge zu dehnen, dass sie tatsächlich stehengeblieben ist.«
»Also hat Kellen Fugit gequält, bis er sich schrecklich elend fühlte.« Das Bild des gefährlichen Goblins mit dem diabolischen Blick stand Avi vor Augen: Kellen, der Folterer.
O Hannah!
»Das wird wohl kein Zuckerschlecken, was?«, stellte er fest.
»In der Tat«, stimmte Roosevelt zu. »Meiner Ansicht nach sollten wir uns besser an seinen Bruder Blink wenden.«
Avi rieb sich die Stirn. Vor Übermüdung hatte er Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. »Wer ist denn nun schon wieder Blink?«, fragte er.
»Fugits Bruder«, wiederholte Brucie. »Während Fugit mit der Zeit herumspielt, verdreht Blink den Raum.« Sie sah Roosevelt finster an. »Außerdem finde ich, dass bei ihm im Kopf auch etwas verdreht ist.«
»Er kann in einem Wimpernschlag von einem Ende des Weltalls zum anderen reisen«, erklärte Roosevelt. »Fugit verachtet ihn, denn in seinen Augen handelt es sich beim Beeinflussen von Zeit um eine ehrenwerte Beschäftigung, während das Verändern des Raums eine verbrecherische Verschwendung von Geistesgaben darstellt.« Wehmütig schaute er aus dem Fenster. »Allerdings könnten wir diese Begabung jetzt gut gebrauchen, um diesen grässlichen Verkehrsstau hinter uns zu lassen.«
Der Bus stand hinter einer langen Autoschlange an einer roten Ampel. Bald begannen
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