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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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sprang mit einem metallischen Klicken auf.
    Vorsichtig trat Avi über die Schwelle. In der Zelle war es dunkel und roch muffig. Die Luft war warm und stickig. Durch ein Gitter in der Decke fiel ein wenig Licht herein. In einer Ecke stand eine harte Pritsche aus Holz.
    Auf der Pritsche saß Hannah. Avi hätte schwören können, dass sein Herz einen Moment stehenblieb.
    »Wenn du wieder nur da bist, um mir die Ohren vollzulabern, kannst du dir die Mühe sparen«, meinte sie, ohne den Kopf zu heben. Als Avi ihre Stimme hörte, fiel alle Unsicherheit von ihm ab. Er hastete durch die Zelle, sank vor ihr auf die Knie und ergriff ihre Hände.
    »Ich bin es, Hannah«, erwiderte er. »Avi. Ich bin hier, um dich rauszuholen.«
    Langsam blickte sie auf. Im ersten Moment starrte sie ihn an, als könne sie ihn nicht erkennen. Doch dann lächelte sie so strahlend, dass Avi beinahe in Tränen ausgebrochen wäre.
    »Avi!«, rief sie und schlang ihm die Arme um den Hals. Sie drückte ihre weichen Lippen fest auf seine und fuhr dann erschrocken zurück. Avi erschrak ebenfalls.
    »Schau mich an«, meinte Hannah und sprang auf. »Ich sehe bestimmt zum Fürchten aus.«
    Ihr Haar war viel länger, als Avi es in Erinnerung hatte. Sie saß hier schon seit Monaten, während er die Zeit einfach übersprungen hatte. Dass die dunklen Haaransätze herausgewachsen waren, erzeugte einen zweifarbigen Effekt. Ihre Kleider waren schmutzig, ihr Gesicht war mit Dreck und Tränen verschmiert, aber Avi war sie noch nie schöner erschienen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.«
    Er hätte nicht mit Hannahs zorniger Reaktion gerechnet.
    »Das nennst du schnell?«, entgegnete sie und boxte ihn gegen die Brust. Dann wies sie auf die gegenüberliegende Wand, wo unzählige weiße Kreidestriche auf dem feuchten Stein angebracht waren.
    »Ein Strich für jeden Tag, den ich hier sitze«, schimpfte sie. »Einhundertundzwanzig Striche. Das sind vier Monate! Was hast du bloß so lange gemacht?«
    »Du würdest es nicht glauben, wenn ich es dir erzähle.«
    Hannahs Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war, und sie umarmte ihn wieder. Sie fühlte sich kalt an.
    »Das Wichtigste ist, dass du jetzt da bist«, flüsterte sie.
    »Ich störe das junge Glück ja nur ungern«, ließ sich Brucie vernehmen, »aber wir müssen verschwinden.«
    Widerstrebend gab Avi Hannah frei. »Hoffentlich kennst du einen Weg nach draußen, Brucie. Hannah, kannst du gehen?«
    »Versuche nicht, mich daran zu hindern.«
    Im nächsten Moment erschien ein dunkler Schatten in der Tür. »Wisst ihr was?«, verkündete eine vertraute grausige Stimme. »Ich denke, ich bin da anderer Ansicht.«
    »Kellen!«, rief Avi, als der König der Goblins in die Zelle trat. Wegen seiner Größe musste er sich tief bücken, um sich nicht in der Tür den Kopf zu stoßen. Avi sah sich nach einem Ausweg um, aber es gab keinen.
    »In der Tat«, fuhr Kellen fort. »Entschuldige mich, Avi, doch ich muss zuerst ein lästiges Insekt beseitigen.«
    Ein Schnippen mit den Fingern förderte ein mit kleinen Glaskugeln beschwertes Netz zutage. Das Netz verfing sich in Brucies Flügeln, umschlang sie und zog sie zu Boden. Schimpfend versuchte sie, sich zu befreien. Doch je mehr sie strampelte, desto tiefer verhedderte sie sich darin. Sie gab den Widerstand nicht einmal dann auf, als zwei Goblins hereinkamen und sie packten.
    »Nehmt eure dreckigen Finger weg!«, brüllte sie. Ihre Stimme verhallte, als die Goblins sie, immer noch in das Netz gewickelt, aus der Zelle trugen.
    »Wage nicht, ihr etwas anzutun«, sagte Avi.
    »Mach ihn nicht wütend«, warnte Hannah.
    »Es wäre klug, wenn du auf die junge Dame hörst«, stimmte Kellen zu.
    »Falls ihr etwas zustößt …«, begann Avi.
    Blitzschnell durchquerte Kellen die Zelle und schloss die Hände um Avis Hals. Nach Luft ringend, wurde er vom Boden hochgehoben und an die Wand gepresst, wo seine Füße vergeblich Halt suchten.
    »Was willst du dann tun, du Wicht? Mich vielleicht mit einem vergifteten Apfel ermorden wie meinen armen, hochgeschätzten Wassergeist?«
    »Woher weißt du das?«, stieß Avi hervor. Seine Kehle brannte wie Feuer. »Außerdem war der Apfel gar nicht vergiftet.«
    »Ach, wirklich?«, ertönte eine Stimme von der Schwelle her.
    Als Avi in diese Richtung blickte, umklammerten Kellens magere Hände seinen Hals noch fester, bis er schwarze Punkte vor den Augen sah. Dennoch erkannte er den Sprecher

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