Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
runden Schild aus und traf den Unsterblichen mit der Kante am linken Arm. Der Arm wurde von der Schulter bis in die Fingerspitzen vollkommen taub. Sein Wakizashi fiel scheppernd auf den Boden.
»Wir sind die Sparten. Insgesamt zweiunddreißig. Immer zweiunddreißig. Und wir haben schon Bessere als dich besiegt, Unsterblicher. Wir sind unendlich viel schneller als du. Wenn ich dich anschaue, habe ich das Gefühl, du bewegst dich wie eine Schnecke. Lange bevor sie sich endlich zusammenziehen, sehe ich schon, wie du deine Muskeln anspannst. Du glaubst, man würde dich nicht hören, aber jeder Atemzug von dir gleicht einem rasselnden Gebrüll und du stapfst herum wie ein Elefant im Gras.«
Niten machte eine schnelle Bewegung mit der Hand und das abgebrochene Ende seines Katana bohrte sich in die Brust des Krokodils. Augen und Mund vor Überraschung weit aufgerissen, taumelte es rückwärts in den Nebel. »Du redest zu viel«, flüsterte Niten.
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
V irginia Dare ging ein Stück die düstere Gasse hinunter. Im Gehen riss sie die Palmblatthülle von dem Päckchen, das Dee ihr gegeben hatte. Auf ihrer Hand lag eine rechteckige, smaragdgrüne Tafel. Sie spürte rohe Energie durch den Stein pulsieren. Das Gefühl war ihr vertraut: Ihre Flöte verströmte dieselbe Energie, wenn sie hineinblies.
Die Smaragdtafel war ungefähr zehn Zentimeter breit und zwanzig Zentimeter lang. Als Virginia sie umdrehte, sah sie, dass in beide Seiten Piktogramme eingeritzt waren. Sie erinnerten vage an einige der archaischen Schriften der Menschen aus dem Indus-Tal. Virginias Aura löste sich in blassgrünen Fäden von ihren Fingerspitzen und verteilte sich über die Tafel. Salbeiduft erfüllte die dunkle Gasse. Virginia hielt den Atem an, als sich die Schrift über den Stein bewegte. Immer neue Bilder erschienen und wurden für kurze Zeit lebendig: Da krabbelten winzige Ameisen, schwammen Fische, flatterten Vögel, drehten sich Sonnenräder. Es war sehr lange her, seit sie eine solche Schrift das letzte Mal gesehen hatte.
Die Piktogramme verschwammen und verblassten wieder. Übrig blieb eine einzelne Reihe geheimnisvoller Symbole in der Mitte der Tafel. Dann verschoben auch sie sich und bildeten schließlich ein einziges Wort in lateinischer Schrift: CROATOAN .
Als hätte sie einen Schlag erhalten, sank Virginia gegen die Mauer und ließ sich langsam auf den Boden gleiten.
CROATOAN .
Sie war noch ein Kind gewesen, nicht älter als zwei oder zweieinhalb Jahre, als sie ihrem Vater zugeschaut hatte, wie er vor ihrem Haus in Roanoke dieses Wort in einen hölzernen Zaunpfahl geritzt hatte.
CROATOAN .
Lautlos formten ihre Lippen das Wort. Die Buchstaben dieses Wortes waren die ersten gewesen, die sie je gesehen hatte. Das Wort das erste, das sie gelernt hatte. Und es war das Geheimnis, das sie in ihrem tiefsten Inneren hütete. Ein Geheimnis, das nur sie kannte. Blassgrüne Tränen liefen ihr über die Wangen.
Die Buchstaben zitterten und zerfielen. Dafür erschienen winzige Bilder, eigentlich nur Skizzen: Schildkröten und Wolken, ein Wal, der Mond in all seinen Phasen und ein Sonnenrad zogen in schmalen, waagerechten Bändern über die Smaragdtafel. Virginia legte den Zeigefinger in die linke untere Ecke und bewegte ihn langsam nach rechts. Ihre Lippen formten lautlos Worte, als sie sich wieder an eine längst vergessen geglaubte Sprache erinnerte.
Ich bin Abraham von Danu Talis, zuweilen der Weise genannt, und ich grüße dich, Virginia Dare, Tochter der Elenora, Kind des Ananias.
Dieses Wort, Croatoan , ein Wort, dessen Bedeutung nur du allein kennst, soll der Beweis sein, dass alles, was ich dir jetzt sage, wahr ist. Wenn ich dir also sage, dass ich jeden Tag deines Lebens über dir gewacht habe, weißt du, dass es die Wahrheit ist. Wenn ich dir sage, dass ich dich beschützt und mich um dich gekümmert habe, weißt du, dass auch das wahr ist. Ich habe dich zu der Höhle im Grand Canyon geführt, wo du deine kostbare Flöte gefunden hast. Ich habe dir erlaubt, deinen Gebieter des Älteren Geschlechts zu töten, und habe dich vor den Folgen bewahrt.
Ich weiß, wer du bist, Virginia Dare, und was noch wichtiger ist: Ich weiß, was du bist. Ich weiß, wonach du suchst, was du dir mehr als alles andere auf der Welt wünschst.
Und heute kannst du dein Ziel im Leben erreichen.
Heute kannst du etwas verändern.
Länger als neuntausend Jahre wirst du nicht auf dem Schattenreich Erde weilen. Und doch erhältst du
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