Die geheimnisvolle Limousine
Auskunft erklang ein Knacken im Apparat —
anscheinend hatte der Anrufer aufgelegt.
Soja ließ langsam den Hörer auf die Gabel sinken und
blieb neben dem Tisch stehen. Völlig überraschend war
eine neue Vermutung in ihr aufgetaucht:
Sie befand sich ganz allein im Haus . . . Weder der In-
genieur war anwesend — wer weiß, wo er sich aufhalten
mochte —, noch existierte irgendein Sekretär. Das waren
einfach nur Sprechautomaten, höfliche Worte, auf Ton-
band aufgenommen und durch einen Mechanismus wieder-
gegeben. Dieser automatische Sekretär, der irgendwo
hinter dem Schrank in der Wand eingebaut war, erteilte
Auskünfte, unterhielt sich mit den Besuchern und ant-
wortete auf Telefonanrufe. Soja war entschlossen, sich zu
überzeugen, ob sie allein im Haus war. Schließlich hatte
sie lange genug in dem leeren Arbeitszimmer gesessen
und nun ein Recht zum Handeln. Sie warf energisch den
Kopf in den Nacken und verließ das Zimmer,
Sie lief durch das ganze Haus. Vor ihr taten sich lautlos
und gehorsam alle Türen auf und schlössen sich geräusch-
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los wieder, wenn sie hindurchgeschritten war. Das er-
innerte sie an ein Märchen von einem verzauberten
Schloß, dem sie in ihrer Kindheit einmal gelauscht hatte.
Soja mußte sich davon überzeugen, daß sich außer ihr
keine Seele im Hause aufhielt. Wenn wenigstens ein
Hund gebellt hätte oder eine aufgescheuchte Katze vom
Diwan heruntergesprungen wäre! Aber alles blieb still.
Trotzdem konnte sich Soja, als sie durch die Zimmer
schritt, nie ganz des Gefühls erwehren, daß sich außer ihr
noch jemand im Hause befinden müsse, ein Unsichtbarer,
der ihr lautlos auf den Fersen folgte.
Diese sorgfältig in die Wände eingebauten Apparate, die
wie unsichtbare Diener vor ihr die Türen öffneten oder in
allen dunklen Ecken, kaum, daß sie nähertrat, Licht ein-
schalteten, ließen unwill-
kürlich die Vermutung auf-
kommen, daß ein lebendiges
Wesen hierbei seine Hand
im Spiele habe.
Soja blieb vor einem Bü-
fett mit einer kunstvollen
Schnitzerei stehen. Als sie
ihre Hand danach aus-
streckte, öffneten sich die
Türen.
Das ist ja toll! Bei diesem
Entgegenkommen des Mo-
biliars ist es ja eine Klei-
nigkeit, das ganze Haus
auszuräumen. Ein Dieb hat
es hier leicht. Es sei denn,
dieses Büfett schreit Zeter
2 Die geheimnisvolle Limousine
und Mordio, wenn man etwas aus ihm herausnehmen
will! Zur Probe langte sie nach einer Keksdose. Aber das
Büfett erhob deswegen kein Geschrei. Im Gegenteil! Das
Regal, auf dem die Keksdose stand, schob sich ein wenig
vor, damit man bequemer hinlangen konnte.
Soja lachte laut auf.
„Mein lieber verehrter Andrei Nikolajewitsch Bobrow!
Sie haben sich wahrhaftig ulkige Sachen ausgedacht. Ge-
wiß macht Ihnen Ihr Spielzeug ebensoviel Spaß wie
meinem Brüderchen Tolja sein kleiner Mähdrescher. In
jedem Mann steckt eben ein Junge, und wenn er auch
schon graue Haare hat, wird er sich doch noch für jeden
technischen Hokuspokus interessieren."
Ein Hupen unterbrach ihre Rede. Sie trat ans Fenster und
sah eine niedrige grüne Limousine auf das Haus zufahren.
Rasch lief Soja auf die Veranda hinaus.
Na endlich! Sie atmete erleichtert auf. Er geruht zu
kommen! Aber wem hatte er das Signal gegeben? Im
Haus war doch niemand. In diesem Augenblick öffnete
sich das Tor. Die grüne Limousine rollte hindurch, be-
schrieb einen Bogen und blieb vor der Freitreppe stehen.
Es verging eine Minute, noch eine, doch niemand stieg aus.
Mit wachsendem Erstaunen betrachtete Soja die Limou-
sine. Bobrow bringt es fertig, sogar im Auto in aller Ruhe
sitzen zu bleiben, dachte sie. Langsam schritt sie die
Stufen der Veranda hinab. Je näher sie aber der grünen
Limousine kam, desto höher hoben sich ihre Brauen. Sie
lief rings um den Wagen herum, schaute hinein und
schüttelte den Kopf. Es saß niemand darin. Auf dem
Vordersitz lagen Handschuhe mit Lederstulpen, hinten
eine Aktenmappe und ein Hut.
War es möglich! Das Auto war allein hier angekommen?
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Soja fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Ihr kam in
den Sinn, daß Ingenieur Bobrow ins Elektrizitätswerk
fahren mußte. Vielleicht war der Wagen deshalb vorge-
fahren? Wenn sich der Ingenieur soviel Dinge dienstbar
zu machen verstand, warum sollte da nicht auch das Auto
zur festgesetzten Stunde eintreffen? Also mußte er sich
doch im Hause befinden! Nein, das konnte wiederum auch
nicht stimmen, denn Soja hatte sich doch
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