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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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Abwasch fertig habe, dann können wir zusammen spazieren gehen.“
    „Nein, ich will gleich gehen. Wenn ich zurück bin, hast du die Küche fertig und wir können uns noch in Ruhe eine CD anhören.“ Meine Frau fand mein Verhalten befremdlich, aber sie hatte sich schon an einiges gewöhnt. Etwas beleidigt ging sie in die Küche und begann mit den Aufräumarbeiten. Ich zog mir den Mantel über und nahm den Autoschlüssel von der Flurvitrine. Ich musste versuchen, mir Klarheit zu verschaffen. Worüber auch immer. Meine innere Stimme sagte mir, dass die Stunde der Entscheidung oder der Wahrheit gekommen war.

35. Kapitel
    Ich hatte Glück. Es wurde gerade ein Parkplatz frei, nur wenige Meter vom Haupteingang des Domes an der Westseite entfernt. Dummerweise hatte ich in meiner Aufregung nicht nur mein Handy, sondern auch meine Brieftasche auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Ich durchsuchte alle Taschen und fand in der Innentasche meines Mantels ein Fünfzig Cent Stück. Nun, besser als gar nichts. Ich steckte die Münze in den Parkautomaten und konnte nun legal dreißig Minuten lang parken. Sollte ich länger brauchen, würde ich eben einen Strafzettel riskieren, es gab Wichtigeres. Vielleicht schwärmten die Politessen zum Heiligen Abend auch gar nicht aus, sondern saßen mit ihren Familien am Lichterbaum. Ich war jahrelang nicht mehr im Dom gewesen, hatte dieses gigantische neobarocke Bauwerk kurz vor der Jahrtausendwende mit einem ausländischen Gast und Freund besucht, dem ich Berlin und seine schönsten Sehenswürdigkeiten zeigen wollte. Ich stieg die Stufen der Granittreppe empor, die zur großen Vorhalle führte, auf den Säulen des Triumpfbogens waren Engelfiguren angebracht. Der linke Engel mit seiner Fackel sollte die Wahrheit symbolisieren. Die Wahrheit. Was ist Wahrheit? Würde ich der Wahrheit heute endlich näher kommen? Am Eingang standen zwei Herren in Anzügen mit weißem Hemd und grauen Westen. An ihren Reviers hatten sie kleine aber gut sichtbare Schilder befestigt, auf denen sich eine Miniaturabbildung des Doms und ihre Namen befanden. Sie grüßten freundlich die zahlreich eintretenden Besucher. Als ich die Predigtkirche betrat, musste ich tief einatmen, ich war von der Monumentalität des Raumes überwältigt. Ich hatte fast vergessen, wie beeindruckend dieser kaiserliche Bau war. Die reiche Dekoration, die Farbenpracht, die Höhe des Raumes mit der riesigen Kuppel, an der Stirnseite der erhöhte goldfarbene Altar, davor der Altartisch aus weißem Marmor, durch eine Treppe und einen Triumpfbogen vom Hauptraum abgetrennt, die prächtigen ovalen und rechteckigen Altarfenster, das Zweite davon mit der Kreuzigungsszene. Alles beindruckend. Es war kein Zweifel möglich, das Foto, besser das Stück des Fotos, dass ich für Bruchteile von Sekunden gesehen hatte, zeigte den oberen Teil des Kreuzes mit dem Pergament und den Buchstaben I.N.R.I., der Abkürzung für die lateinische Bezeichnung: Jesus von Nazareth, König der Juden. Ich schaute mich weiter im Raum um, links stand die große wundervolle Kanzel aus Eichenholz geschnitzt und auf der Nordseite die gigantische, fast zwanzig Meter hohe und vierzehn Meter breite Sauer-Orgel. Ich ließ einige Sekunden die Atmosphäre der Kirche auf mich einwirken, bevor ich mich auf das konzentrierte, was mich hier geführt hatte. Einige Hundert Menschen hatten schon auf den Holzbänken Platz genommen, andere schlenderten durch die Gänge oder bewunderten den Altar, die große Kanzel oder andere Einrichtungsgegenstände. Wo sollte ich mit meiner Suche beginnen und wonach suchte ich überhaupt? Außer dem Hauptraum, der Predigtkirche, befand sich rechter Hand die kleine Tauf- und Traukirche, auch dort saßen einige Menschen und beteten oder hingen einfach ihren Gedanken nach. Der Aufgang zur Domkuppel war gesperrt, wie auch der Abgang zur Hohenzollerngruft. Das Dommuseum hatte schon geschlossen. Eine rote Kordel zwischen zwei Messingstangen gespannt, war das einzige Hindernis, das ich überwinden musste. Mich interessierte nicht der wundervolle Panoramablick über das winterliche Berlin, sondern der innere Kuppelgang in rund fünfzig Meter Höhe, der mir ermöglichte, das gesamte Innere der Predigtkirche zu überblicken. Ich ärgerte mich, dass ich nicht an das alte Fernglas gedacht hatte, dass mir schon einmal gute Dienste geleistet hatte. Nach dem Aufstieg musste ich einige Sekunden verschnaufen, es wäre an der Zeit mehr Sport zu treiben. Ich gab ein Versprechen

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