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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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globaler denken und Ihren individuellen Nutzen aus allem ziehen. Mit Ihren, nennen wir sie parapsychologischen Fähigkeiten, könnten Sie mehr aus Ihrem Leben machen.“ Er schaute auf seine Armbanduhr, ich hatte eine Rolex erwartet, statt dessen trug er eine deutsche A. Lange&Söhne 1 Zeitzone. Ich hatte vor Kurzem einen Bericht über dieses Modell gesehen. Er sah meinen Blick. „Eine wundervolle Uhr. Wenn Sie meinem Rat folgen, können Sie sich Ihren Uhrenkasten mit allen Modellen dieses Herstellers füllen.“ Die Bemerkung machte mir deutlich, dass man sogar meine Wohnung inspiziert haben musste. Kein angenehmes Gefühl. George Orwells bittere Fantasien glichen aus heutiger Sicht den Ansichten eines unverbesserlichen Zukunftsoptimisten.
    „Ich besitze eine dieses Herstellers, älter als ihre und nicht so teuer, aber genauso gut, das genügt. Außerdem besitze ich eine Sanduhr.“
    „Eine Sanduhr? Na, dann gratuliere ich Ihnen. Aber, wie mein Blick auf meine Armbanduhr Ihnen angedeutet haben dürfte, habe ich noch etwas zu erledigen. Ich denke, wir sind uns einig.“ Er stand auf und ging zu einer mit Schnitzereien verzierten Vitrine, öffnete die linke Tür und entnahm einen Geschenkkarton. Beim Öffnen stieß er mit seinem rechten Ellenbogen gegen den Ordner, den er bei seinem Eintreten neben einer Messingschatulle auf der Vitrine abgelegt hatte. Der Ordner stürzte zu Boden und etliche beschriebene Papierblätter und Fotos fielen heraus. Ich versuchte zu erkennen, worum es sich handelte. Aber nur eines der Fotos, das etwas weiter weggesegelt war, konnte ich genau, zwei weitere knapp zur Hälfte erkennen. Will Smith kniete sich sofort nieder und versperrte mit seinem Rücken den Blick auf die Papiere und Fotos. Schnell hatte er alles wieder eingesammelt und im Ordner verstaut. „Verzeihen Sie. Ich bin wohl etwas unkonzentriert, die letzten Wochen bin ich kaum zum Schlafen gekommen. Macht kann auch schrecklich anstrengend sein.“ Er nahm den Geschenkkarton auf, den er bei seiner Einsammelaktion abgestellt hatte, und reichte ihn mir. „Als kleine Entschädigung für Ihren Zeitaufwand und als Dank für das angenehme Gespräch möchte ich Ihnen zwei Flaschen Bordeaux von 2003 schenken, das Erzeugergut habe ich selbst besucht. Ich weiß, dass Sie heute noch Gäste empfangen und selbst einen guten Tropfen schätzen. Ich verspreche Ihnen, Sie werden jeden Schluck genießen. Ich mag die Franzosen nicht, sie sind unzuverlässig und oberflächlich und keine treuen Freunde, aber von Weinherstellung verstehen Sie etwas. Dagegen ist dieser gesamte kalifornische Wein der reinste Essig.“
    Ich erhob mich aus dem Sessel und nahm den Karton entgegen. Überschwänglich brauchte ich mich sicher nicht zu bedanken. Ich nickte und murmelte ein kurzes und leises: „Danke.“
    „Keine Ursache. Wenn Sie wieder einmal von Visionen geplagt werden und ein starkes Mitteilungsbedürfnis verspüren sollten, wenden Sie sich nicht an zweitklassige Hinterbänkler, sondern rufen Sie lieber gleich bei mir an. Das erspart uns beiden viel Ärger.“ Er zog aus seinem Jackett ein silbernes Visitenkartenetui, öffnete den Deckel und entnahm eine schmale, weiße Karte. Die Schrift war einfach und klar, ohne Schnörkel. Außer dem Namen „Will Smith“ und der Bezeichnung „Global Player“ stand lediglich eine Mobilfunknummer auf der Karte. Ich habe sonst kein so gutes Zahlengedächtnis, aber diese Zahlenkombination habe ich mir sofort eingeprägt und – egal in welchem Jahr und welcher Wiederholung ich mich befand, nie wieder vergessen.
    „Unter dieser Nummer können Sie mich Tag und Nacht und weltweit erreichen.“ Ich schaute auf den Flügel. Mir kam eine verrückte Idee. „Ich habe seit zwanzig Jahren nicht mehr auf einem Blüthner gespielt. Ob ich vielleicht einige Minuten auf Ihrem Instrument spielen dürfte?“
    „Wenn es Ihre Zeit erlaubt, bitte sehr. Es ist ein fantastisches Instrument, ich spiele, wenn ich in Ihrer Stadt weile, leidenschaftlich gern auf diesem Flügel, leider habe ich viel zu viel geschäftliche Dinge zu erledigen, um mich öfter diesem Genuss hingeben zu können. Aber ich muss zugeben, Sie überraschen mich. Sie haben Stil. Ich hätte angenommen, Sie würden so schnell wie möglich aus diesem Haus verschwinden wollen.“
    „Warum sollte ich? Sie sind doch ein interessanter Gesprächspartner gewesen. Ich lerne gerne dazu.“
    Er fühlte sich geschmeichelt. „Dann lasse Sie uns noch einige Minuten plaudern.

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