Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
natürlich nicht enden, das hätte den Hollywoodmogulen und dem Gros des Publikums nicht gefallen. Also griff Christopher Nolan, den ich übrigens auch persönlich kenne und als Regisseur und Drehbuchautor schätze, bei der Dramaturgie zu einem Taschenspielertrick, besser gesagt, er griff in die Mottenkiste der Aufklärung und ließ die Gut-Menschen wieder aufmarschieren, die lieber selbst in die Luft fliegen als ihre Mitbürger zu opfern. Aber abgesehen von diesem Quatsch wurde die Logik durchgehalten. Es gibt keine Erklärung für das Böse, der Joker hat keine Vergangenheit, kein Vorleben, keine schlechte Kindheit, keine Gesellschaft, die ihn schlecht gemacht hat, er parodiert alle gängigen Erklärungen, die ein Verstehen seines Verhaltens ermöglichen würden. Er zeigt, dass das wirklich Böse das grundlos Böse ist. Und wo es keinen Grund gibt, kann man ihm auch keinen Boden entziehen. Man kann ihm nichts entgegensetzen. Auch der Tod ist dann nur Spiel. Ich denke, der gute Heath, ein netter, kluger, aber nicht gerade tiefsinniger Kopf, wochenlang mit seiner Rolle kämpfend, mit seinen Tabletten zugedröhnt, muss von dieser Einsicht wie vom Blitz getroffen worden sein. Er spielte diese Rolle nicht mehr als Rolle, sondern als Lebensweisheit, als die Erkenntnis des Pudels Kern. Sein Schmatzen und Schnalzen ist das Geräusch des Bösen schlechthin. Ich weiß, wovon ich spreche. Heath wurde zum Joker. Und er ist nicht einmal unsympathisch. Das alles zu verarbeiten, nach dem Ablegen seines Kostüms und dem Abschminken seines Gesichts, war für ihn vermutlich zu viel, er hätte sofort einen zweiten Teil drehen müssen, dann hätte er noch eine Weile leben und seinen Ruhm mehren können. Aber so hat er für diese Art der Darstellung, quasi für die Unsterblichkeit seiner Darstellung, mit dem realen Leben bezahlen müssen. Er hatte eine neue Sicht auf das Leben und sein eigenes Leben bekommen, die er nicht mehr ertragen konnte. Sehen Sie sich den Film an, dann werden Sie vielleicht mein Urteil verstehen. Möglicherweise lese ich irgendwann im Herbst Ihre Rezension in einer Illustrierten und finde einige meiner heutigen Gedanken wieder.“
Ich hätte mich auf eine Diskussion einlassen können, denn ich hatte den Film schon gesehen, aber wie sollte ich Will Smith dies erklären? Dass ich den gesamten Film im Traum habe abspulen lassen, eine Hellseherei im 16:9 und Dolby Surround Format? Nein, ich sagte stattdessen: „Hört sich vielversprechend an. Ich werde mir den Film sofort ansehen, wenn er im August in die deutschen Kinos kommt. Und vielleicht lohnt es sich tatsächlich, eine Kritik zu verfassen.“
„Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ein Will Smith gibt keine schlechten Empfehlungen. Jack Nicholson hat drei Oscars bekommen. Und Heath Ledger nicht zu vergessen. Er ist zwar tot, aber das wäre er irgendwann sowieso. Jetzt ist er in die Filmgeschichte eingegangen und erhält ganz sicher auch einen Oscar. Aber der Worte sind genug gewechselt. Sollten Sie Ihrer Spiellaune Genüge getan haben, geben Sie Fred, das ist der Fahrer, ein Zeichen. Er wird Sie sofort nach Hause chauffieren. Die anderen Herren werden mich begleiten. Übrigens brauchen Sie sich die Adresse nicht einzuprägen. Das Haus wird sofort geräumt und ich werde nicht hierher zurückkommen.“ Er war schon fast aus der Tür, als er sich noch einmal umdrehte. „Sagen Sie Frank, zwei kleine Fragen hätte ich noch. Da Sie den Ablauf und die Ergebnisse der Krise voraussehen konnten, haben Sie vielleicht auch eine Vorstellung darüber, wer der nächste amerikanische Präsident werden wird?“
„Obama.“
„Großartig. Der hat Ausstrahlung. Endlich wieder ein intelligenter und ehrgeiziger Kopf, der auch die Grenzen der Moral und des Machbaren kennt und die richtigen Ziele, weltweit. Er wird international ein gutes Aushängeschild, ein Friedensapostel und den Massen in den Zeiten des Gürtelengerschnallens ein Vorbild sein. Für eine Übergangszeit ist er genau der, den wir brauchen. Danach werden wir uns wieder einen Republikaner aussuchen. Aber auch in den jetzigen Zeiten wird der Verteidigungshaushalt tendenziell steigen. Das Geld meiner Klienten ist gut angelegt. Und ich werde endlich wieder mal einige Zeit in Kabul leben können. Tolle Stadt, unvergleichlich.“
Ich zuckte ein bisschen zusammen. Bei dem Wort Kabul wurden viele Erinnerungen wach, ich hatte diese Stadt Ende 1990 bei dem Besuch eines dort beheimateten Freundes kennen und lieben gelernt.
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