Die Gehorsame
leise. »Aber heute Abend warst du ein sehr braves Mädchen. Ist das nicht seltsam? Nun, mach dir nicht zu viele Gedanken darüber.« Dann stand er auf, nahm seine Hose vom Stuhl, über den ich sie gehängt hatte, und zog den Gürtel heraus. »Knie dich auf den Sessel, damit ich dich schlagen kann«, sagte er freundlich. »Danach kannst du dich herumdrehen, und ich schlage dich noch ein bisschen auf die Titten, nur bis sie sich rosa färben. Dann ziehe ich dir den Dildo heraus. Heute Nacht kannst du hier schlafen. Oben am Ende des Flurs ist ein kleines Schlafzimmer für dich. Bei diesem Sturm ist es zu gefährlich für dich, über die Brücke nach Hause zu fahren.«
Aber natürlich machte ich mir Gedanken darüber, warum ich mich so fühlte. Später redete ich mit meinem Freund Stuart endlos über diesen Abend. Stuart und ich waren schon seit dem ersten Jahr auf dem College miteinander befreundet, und seitdem wir im Juni graduiert hatten, teilten wir uns ein Zimmer. Er studierte Literatur und bekam das Stipendium, das ich wahrscheinlich bekommen hätte, wenn ich mich darum beworben hätte. Wenn ich in den Nächten, in denen ich nicht bei Jonathan übernachtete, ins Zimmer gehumpelt kam, massierte er mir die Schultern und las mir François Villon oder etwas von den Brontës vor. Wir wohnten in einer großen Wohnung im Mission District, zusammen mit einem UPS -Fahrer und einer Zauberkünstlerin. (Nun ja, um Geld zu verdienen, arbeitet Jo eigentlich im Büro und zaubert nur auf Kindergeburtstagen, aber ich halte sie für sehr gut.) Eine typische Wohngemeinschaft von Leuten in den Zwanzigern, was? Ein Zusteller, ein Student, eine Büroangestellte/Zauberkünstlerin und ein Fahrradkurier/Sexsklave.
Nur Stuart wusste über mein Leben mit Jonathan Bescheid, obwohl Jo und Henry wirklich nett waren und es ihnen sicher nichts ausgemacht hätte. Trotzdem wollte ich nicht, dass außer Stuart jemand davon wusste – es war zu schwierig zu erklären, selbst für mich zu schwer zu verstehen.
Stuart war, wie er immer sagte, mehr oder weniger bi, aber sehr schüchtern. Und so lauschte ich zwar seinen Geschichten über sein Liebesleben und tröstete ihn auch, wenn er es brauchte, aber die unfaire Wahrheit war leider, dass er mit meiner wahnsinnigen Geschichte und meinem endlosen Bedürfnis nach Trost nicht mitkam. Hinzu kam, dass wir seit der Schulzeit eine unstillbare Sucht nach Theorien entwickelt hatten. Und so lagen wir auf Stuarts breitem Bett und redeten uns um den Verstand, wenn wir versuchten zu verstehen, warum wir so lebten. Gab es auch ein anderes Leben?
»Vielleicht geht es ja nur um Objektbeziehungen«, sinnierte ich. »Um langweilige Sozialisierung in der frühen Kindheit? Oder vielleicht auch um politisch korrektere Objektbeziehungen – Jonathan wurde von seinem reichen Vater nie in den Arm genommen.«
Stuart überlegte. »Nun, ich glaube, wir möchten eine Objektbeziehungstheorie, die wenigstens ein bisschen mehr philosophisch untermauert ist. Ich würde den ganzen hegelschen Herr-Sklave-Stoff noch dazunehmen. Man erkennt sich selbst, indem man den anderen beherrscht, ihn aber nicht vollständig überwältigt, weil man dadurch das Spiel zerstört. Das scheint in etwa zu stimmen, obwohl du wohl nicht in Gefahr bist, vollständig überwältigt zu werden, zumindest nicht, wenn du deine Kurierklamotten trägst.
Wenn du das, was da passiert, als pathologisch sehen willst, dann stimmen diese ganzen sozialwissenschaftlichen Thesen, die wir gelernt haben. Aber ich sehe das nicht so, schließlich hast du großartigen Sex, und mir macht das Ganze riesigen Spaß als Voyeur. Du bist meine Heldin.« Damit hörte er auf, mir zur Seite zu stehen und mich zu unterstützen und blickte mich nur noch erwartungsvoll an.
»Okay, ja, okay.« Ich seufzte, wie ich es bei ihm so oft tat. »Ja, du darfst die neuen Striemen sehen. Wenn du willst, kannst du sie sogar ganz leicht berühren. Aber zuerst bringst du mir eine Tasse Kakao mit Rum und zwei Marshmallows. Und schalte den Fernseher auf Cheers um.«
2
KRAZY KAT
Ich glaubte nicht wirklich an irgendeine der Theorien, aber es schien, dass Jonathan und ich einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hätten.
Als er kurz darauf anfing, mich regelmäßig in den Arsch zu ficken, dankte ich ihm hinterher immer, was zwar nicht den Regeln entsprach, die er festgelegt hatte, aber als meine eigene kleine Improvisation fester Bestandteil des Rituals wurde. Als Examensgeschenk ersetzte er das
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