Die Geier
daß diese Idioten in Palm Beach so
kleine Schwänzchen haben!« zischte das Mädchen in
aggressivem Ton.
Ihre Freunde glucksten.
»Schaut euch das an!« fuhr das Mädchen fort. »Man
könnte meinen, eine Schnecke, die Schiß hat, aus ihrem
Häuschen hervorzukriechen!«
Hemmungslos hielten sich die Burschen vor Lachen
den Bauch. »Deine Frau hat wohl nicht jede Nacht ihre
Freude mit einem solchen Ding«, knurrte Shelley.
»Aber diesem Übel werden wir schon abhelfen, nicht
wahr, Jungs!«
Gleichzeitig stimmten ihre Freunde ihr zu. Plötzlich
beugte Shelley sich nach vorn und bohrte den Lauf ih-
res Revolvers in die Wange des Arztes.
»Aber vielleicht hoffst du ja, daß die Schwänze im
Mondschein wachsen«, spottete sie.
»Sie irren sich«, stammelte Russel, dessen Herz nun
ernstlich erste Anzeichen von Schwäche zeigte. »Ich bin
nicht ...«
»Halt's Maul, Krüppel!« schrie Shelley. »Du sagst mir
jetzt schön brav, wo du deinen Zaster versteckt hast,
während meine Freunde sich ein wenig um deine Frau
kümmern werden.«
Mit unglaublicher Kraft packte sie Russel an den Haa-
ren und zwang ihn, sich aufzurichten.
»Beweg dich! Wir folgen dir!«
»Ich will, daß seine Frau mir einen runterholt!« schrie
der kleinste der drei Burschen heiser.
»Nur keine Sorge, Sunny!« knurrte das Mädchen.
»Sie wird dir das Mark aus den Knochen saugen ...
Nicht wahr, Jammerlappen?« fügte sie hinzu und stieß
den Revolverlauf gegen Russels Kopf.
»Ich schwöre Ihnen, Sie machen einen Fehler!« win-
selte der Arzt und warf einen verzweifelten Blick zur
Villa.
Halbkreisförmig fiel das durch das matte Glas des
Oberlichts über der Eingangstür gedämpfte Licht, aber
Jimmy O'Neal war verschwunden. Wie der Wächter,
der das Tor und den Park bewachen sollte. Die übrigen
Bediensteten des Hauses schliefen auf der anderen Seite
des Grundstücks in der Jagdhütte.
Russel fragte sich, ob er schreien sollte, um die andern
zu alarmieren. Das Mädchen schien seine Absicht erra-
ten zu haben, denn nun drückte sie dem Arzt den Re-
volverlauf ins Genick.
»Wenn du Dummheiten machst«, flüsterte sie, »jag
ich dir eine Kugel in den Kopf. Und meine Freunde
werden ein Blutbad in deinem Schlößchen anrichten.«
Sie stieß Russel zum Haus. Wo zum Teufel war Jim-
my? Der Arzt war völlig ratlos. Auf die allgemeine Be-
ruhigung folgte nun der allerschrecklichste Wirbel-
sturm. In dieser Nacht hatte das Schicksal ihn auf eine
wahre Geisterbahn getrieben, auf eine entsetzliche Strecke. Im Vergleich dazu ging es im schrecklichsten
Gespensterzug wie in einem Kinderzimmer zu. Und
von neuem flößte seine Nacktheit dem Arzt einen pein-
lichen Minderwertigkeitskomplex ein.
Die Rowdies benahmen sich keineswegs wie Einbre-
cher. Sie waren anscheinend eher gekommen, um alles
zu zerstören, als um zu stehlen. Die Burschen gingen
sogleich an die Bar und hantierten laut lachend mit den
Flaschen herum. Es war kein Einbruch, sondern eher
eine Invasion. Ein Krieg, ein Plündererkommando, das
auf Zivilisten losgelassen worden war. Leicht angetrun-
ken und berauscht von dem Gefühl absoluter Macht,
begannen sie mit der Zerstörung, indem sie sämtliche
Flaschen mit voller Wucht gegen die Spiegel und Ge-
mälde schleuderten. Einer von ihnen riß die Leitungen
des Aquariums aus der Wand. Das Wasser strömte auf
den Fußboden. Sie schnitten das Telefonkabel durch,
schlitzten mit ihren Messern das Sofa und die Sessel
auf, plünderten die phantastische Schallplattensamm-
lung der Sirchos und warfen sich die Langspielplatten
wie Frisbee-Scheiben an den Kopf.
»Ihr hört euch in dieser Baracke ja doch nur Schrott
an!« schrie einer der Rowdies und trampelte auf der
Mozart-Sammlung herum.
Shelley stand die ganze Zeit neben Russel und sah
dem Schauspiel sichtlich vergnügt zu. Der Arzt wurde
von einem heftigen Zittern erfaßt, ein Syndrom der
Ohnmacht, der krampfhaften Lähmung, der Angst ...
»Ist dir kalt, Schätzchen?« flüsterte das Mädchen und
brach in ein ohrenbetäubendes Lachen aus.
Es war unmöglich, daß O'Neal diesen Krach nicht
hörte. Doch dann kam dem Arzt plötzlich der Gedanke,
daß sie sowohl den Wächter als auch den Hausmeister
außer Gefecht gesetzt haben könnten, bevor sie ihn am
Swimmingpool antrafen. Die Villa war menschenleer.
Nur auf der ersten Etage ...
»Was geht hier vor?« schrie eine gereizte Stimme.
Gleichzeitig drehten sich die Rowdies zur Treppe um,
auf
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