Die Geier
deren oberster Stufe Pamela stand. Sie trug nach
wie vor ihr bezauberndes Neglige, und in ihrem Ge-
sichtsausdruck lagen Wut und Entsetzen. Einer der
Kerle versetzte seinem Komplizen einen Ellbogenschlag
in die Magengrube.
»He, Mann! Sieh dir die an!« schrie er.
Der Besessenste des Trios schnalzte mit der Zunge.
Mit der einen Hand fingerte er nervös an seinem
Springmesser herum, während er sich mit der anderen
Hand zwischen den Beinen massierte.
»Scheiße«, murmelte er nur.
Pamelas Erscheinen schien Shelley äußerst ungelegen
zu kommen. Sie stellte sich dicht neben den Arzt, so
daß ihre Lippen fast sein Ohr berührten.
»Scheinst doch nicht so stinkfad zu sein, Kleiner!«
flüsterte sie nun mit leicht veränderter Stimme. »Ich
dachte, du würdest eher auf fette Tanten der besseren
Gesellschaft stehen ... Auf eine schmuckbehangene
alte Schreckschraube, verstehst du? Aber ich habe
mich leider geirrt! Der Herr steht auf scharfe Weiber.
Eine Luxushure, nicht wahr . . . «
Der Besessene wurde ganz zappelig.
»Du hast gesagt, sie bläst mir einen!« kreischte er mit
seltsam weinerlicher Stimme. »Du hast es mir verspro-
chen ...«
»Ruhig Blut, Sunny!« entgegnete das Mädchen
schroff. »Sie wird alles tun, was ihr Mann von ihr ver-
langt. Aber zunächst einmal wird sie diese Treppe run-
terkommen und uns begrüßen.«
Mit einemmal war es mit der Zerstörungswut der
Rowdies vorbei. Sie hatten nur noch Augen für Pamela,
die versuchte, sich vorsichtig davonzuschleichen.
»Bleib stehen, Flittchen!« befahl Shelley. »Oder ich
jag deinem Idioten von Mann eine Kugel in den Kopf!«
Pamela blieb stehen und schaute abwechselnd das
Mädchen und Russel an.
»Mein Mann?« wiederholte sie verblüfft.
Einen Moment lang schienen die Eindringlinge ver-
wirrt zu sein, was Russel auszunützen versuchte.
»Ich bin nicht ihr Mann«, erklärte er mit zitternder
Stimme. »Ich bin ihr Arzt. Sie ist schwerkrank und ...«
»Und von Zeit zu Zeit legst du sie auf den Rücken«,
beendete Shelley seinen Satz. Erneut lag ein widerliches
Grinsen auf ihren Lippen.
Russels Schultern sanken nach unten. Jeder Be-
schwichtigungsversuch erwies sich als zwecklos, lächer-
lich und drohte den abgrundtiefen Haß dieser Bande
nur noch größer werden zu lassen.
»Irgendwo hab ich dieses Weib schon mal gesehen«,
sagte derjenige, der immer noch an der Bar stand.
Im leeren Aquarium kämpften die exotischen Fische
mit dem Tod, vergeblich zappelnd, mit zuckenden
Mündern und weit aufgerissenen Kiemen.
Russel glaubte, völlig den Verstand zu verlieren, als er
Pamela Sirchos langsam die Treppe herunterkommen
sah und hörte, wie sie beinahe ungeniert fragte:
»Mit wem soll ich beginnen?«
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Natürlich hatten die beiden Männer schon voneinander
gehört. Mehrmals schon hatten sie sich gesehen, doch
einander wirklich gegenübergestanden hatten sie noch
nie. Mirko Milan saß auf der Kante von Steve Odds'
Schreibtisch, machte ein teils spöttisches, teils gleich-
gültiges Gesicht und spielte gedankenverloren mit einer
Karte, die er mit unglaublicher Geschwindigkeit zwi-
schen den Fingern hin und her wandern, anschließend
hinter seinen Fingern verschwinden und schließlich
wieder auftauchen ließ.
David Toland stand in der Mitte des Zimmers, unbe-
weglich, mit gespreizten Beinen und vor der Brust ver-
schränkten Armen.
Der Ausdruck verkrampfter Befriedigung auf dem
Gesicht von Steve Odds hätte die beiden Sammler
glauben lassen können, er wäre gerade dabei, sich hin-
ter seinem Schreibtisch einen runterzuholen. Als das
Schweigen immer bedrückender wurde, beschloß Odds
plötzlich, die beiden miteinander bekannt zu machen.
»Toland, Sie werden mit Milan zusammenarbeiten«,
sagte er nur mit einer gewissen hochnäsigen Ungeduld.
»Er wird Ihnen die Ausrüstung zeigen, und dann kön-
nen Sie sofort losfahren ...«
Milan runzelte die Stirn. Er steckte die Herzdame in
die Tasche zurück, nahm den Kaugummi aus dem
Mund und klebte ihn an den Aschenbecherrand.
»Sofort losfahren?« fragte er erstaunt.
Mit einem Mal schien Odds ein wenig verlegen zu
sein.
»Es ist einem Überfallkommando gelungen, in die
sowjetische Botschaft einzudringen«, erklärte er. »Sie
halten Diplomaten und Angestellte als Geiseln fest. Be-
stimmt wird es Tote geben, und der Zwischenfall wurde
bisher noch nicht offiziell bekanntgegeben. Man will
verhindern, daß die
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