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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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hatten, sich abschütteln zu lassen.
    »Sie waren ein sehr guter Freund von Doktor Simba?«
    fragte einer von ihnen.
    »Was steht als nächstes auf dem Programm?« fragte
    Zorski ungeduldig.
    »Eine Herzgefäßobstruktion«, antwortete der Anäs-
    thesist, der sich alle zwei Minuten den Schweiß von
    der Stirn wischte. »Wir haben bereits eine Vene aus
    dem Oberschenkel entnommen. Die Operation kann
    beginnen.«
    Zorski nickte und wandte sich an die Polizisten.
    »Ziehen Sie sich einen Kittel und einen Mundschutz
    über«, befahl er. »Sie können mir Ihre Fragen stellen,
    während ich operiere.«
    Verblüfft schauten die Beamten einander an. Eine
    Krankenschwester reichte ihnen zwei sterile Kittel.
    Starker Kaffeegeruch vermischte sich mit dem ständi-
    gen Äthergeruch in den Gängen.
    Der Patient war ungefähr vierzig Jahre alt, fettleibig
    und hatte ein durch mangelnde Bewegung, übermäßi-
    gen Alkoholgenuß und fettreiche Ernährung stark ge-
    schwächtes Herz. Der klassische Fall von Herzversagen.
    Zorski betrachtete die Vene, die in einem metallenen
    Behälter lag.
    »Haben Sie die Undurchlässigkeit überprüft?« fragte
    er schroff.
    Der erste Assistenzarzt nickte mit dem Kopf.
    Zorski nahm die elektrische Säge, schaltete sie ein
    und schnitt ohne Zögern das Brustbein des Kranken an.
    Einer der Polizisten wandte sich ab, während der an-
    dere völlig verkrampft dastand und plötzlich totenblaß
    im Gesicht wurde.
    Die Assistenzärzte legten Spreizhaken an, um den
    Brustkorb offen zu halten. Zorski hantierte im Schein-
    werferlicht mit dem Skalpell.
    »Was wollen Sie von mir wissen?« fragte er die Beam-
    ten.
    »Ich ... wir ...«, stammelte derjenige, der leichenblaß
    geworden war.
    Mit einem kurzen Ruck riß Zorski den Herzbeutel auf
    und deckte das Herz auf. Der Polizist schluckte und
    eilte zum Ausgang. Zorski legte die Klammern an und
    setzte seine Vergrößerungsbrille auf. Zuerst befestigte
    er ein Ende der herausoperierten Vene an der Aorta, die
    er dann mit der Herzarterie verband, indem er darauf
    achtete, das verstopfte Teilsrück zu umgehen. Eine un-
    glaublich genaue und beschwerliche Präzisionsarbeit,
    die mit dem Versuch zu vergleichen war, einen Regen-
    wurm zusammenzunähen und ihn an hartgekochtem
    Eiweiß zu befestigen. Eine Ausweichstrecke. Viele Chir-
    urgen haßten diesen Eingriff. Selbst die besten nahmen
    gewöhnlich nie mehr als eine oder zwei solcher Opera-
    tionen pro Woche vor. Man setzte sein Augenlicht und
    seine Nerven dabei aufs Spiel. Zorski hingegen arbei-
    tete wie gewohnt, mit teuflischer Geschicklichkeit und
    Gelassenheit.
    Mühelos vollendete er die erste Naht. Von Zeit zu
    Zeit schaute er den Polizisten an, der im Operationssaal
    geblieben war. Der Mann gab sich merklich Mühe, anders-
    wo hinzuschauen, aber immer wieder wurde sein Blick
    wie von einem unsichtbaren Magneten auf dieses frei-
    gelegte Herz gezogen, und mit jedem Mal wurde er blas-
    ser. Unter seinem Mundschutz lächelte Zorski belustigt.
    »Ja, ich kannte Doktor Simba sehr gut«, sagte er und
    nahm die Herzschlagader in Angriff.
    Der Beamte riß den Mund auf, sagte jedoch kein
    Wort. Irgendwo zu seiner Rechten kicherte eine Kran-
    kenschwester.
    Zorski richtete sich etwas auf und bewegte den Kopf
    leicht hin und her, um seinen Nacken ein wenig zu ent-
    spannen.
    »Sie können gehen«, flüsterte er dem Polizisten zu.
    »Ich will nicht noch einen Herzinfarkt behandeln. In
    wenigen Minuten stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
    Der Polizist senkte den Blick und verließ den Opera-
    tionssaal. Zorski wußte, daß er gewonnen hatte. Er
    hatte seinen Schmerz besiegt. Nun würde er befreit
    über Simba sprechen können, ohne diese entsetzliche
    Übelkeit im Magen zu verspüren. Der Eisberg der Angst
    war wieder berechenbar geworden.
    Er überprüfte seine Arbeit. Die Vene war lange ge-
    nug, um eine zweite Umleitung vorzunehmen. Doch
    Zorski hielt diese erste für ausreichend. Es war nicht nö-
    tig, die Risiken eines Risses zu verdoppeln. Andere Chir-
    urgen - sogar die berühmtesten - hätten sich in Anbe-
    tracht des Zustands dieses Herzens mit einer zweiten,
    vielleicht sogar mit einer dritten Umleitung abgesichert.
    Zorski jedoch hielt es für unendlich viel wirksamer, nur
    eine anzulegen, dafür aber eine sehr widerstandsfähige.
    Und seine bisherigen Erfolge erlaubten kaum Kritik an
    dieser Vorgangsweise.
    Der Chirurg trat einen Schritt zurück und setzte seine
    Vergrößerungsbrille wieder ab. Es war

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