Die Geier
sichern.«
»Eine Rente, die Sie nicht mehr überweisen müßten,
sobald mir etwas zustieße, nicht wahr?« knurrte die
Frau.
Odds gab sich entrüstet. Er setzte zu einer Antwort
an, aber die Frau kam ihm zuvor:
»Jeder weiß, daß Sie es mit den moralischen Eigen-
schaften Ihrer Angestellten nicht so genau nehmen ...«
Sie kniff beide Augen zusammen.
»... Und daß Ihre Geier sich nicht immer nur mit Lei-
chen zufriedengeben, nicht wahr? Sie werden mir fünf-
hunderttausend sofort überweisen, und dann jährlich
zehn mal fünfzigtausend, einverstanden?«
Odds fand, daß man in letzter Zeit wahrhaftig viel
Geld von ihm verlangte, aber er war sich nicht zu scha-
de, um noch zehnmal mehr von Sirchos zu fordern. Die
kühle Entschlossenheit der Frau überzeugte ihn schließ-
lich davon, daß er keinen günstigeren Kompromiß aus-
handeln könnte.
»In bar selbstverständlich«, fügte sie mit einem häßli-
chen Grinsen hinzu.
Odds breitete die Arme aus.
»Aber wie soll ich denn Ihrer Meinung nach eine sol-
che Summe aus meinem Schreibtisch hervorzaubern?«
entgegnete er. »Die Z.S.A. ist eine offizielle Institution, die von der Ärztekammer und der Regierung unterstützt wird, und keine geheime Filiale der Mafia, wie Sie
zu glauben scheinen! Ich unterstehe einem Wirtschafts-
prüfer, Madame Franck. Glauben Sie etwa, ich könnte
ein Loch von fünfhunderttausend in der Kasse vor ihm
verbergen?«
Die Frau erhob sich.
»Ich bin sicher, daß Sie sich schon zu helfen wissen.
Ich habe Zeit ...«
Nachdenklich schaute er ihr nach, wie sie das Büro
verließ. Zeit ... Pamela Sirchos hatte immer weniger
Zeit. Der Boß der Z.S.A. klappte die Krankenakte wie-
der zu, die die Frau ihm freiwillig dagelassen hatte. Mit
den wenigen Angaben, über die er verfügte, brauchte er
mindestens einen Monat, um die Identität dieses Mäd-
chens und des Krankenhauses herauszufinden, in das
es eingeliefert worden war. Es sei denn ... Wenn er die
Karriere dieses Doktor Franck etwas genauer unter die
Lupe nehmen würde ... Odds schüttelte den Kopf.
Wieviele Blinddarmoperationen mochte ein Chirurg in-
nerhalb eines Jahres wohl durchführen? Und wie viele
Ärzte tragen den Nachnamen Franck? Und wie viele
Archive gab es, die irgendwo in einem Datenverarbei-
tungsgerät schlummerten?
Die Nachfragen in den Allergie-Abteilungen hatten
zu rein gar nichts geführt. Außer daß ein Spinner im
Norden des Landes geglaubt hatte, anhand der geneti-
schen Angaben auf dem Fahndungsblatt einen seiner
Patienten wiedererkannt zu haben, der vor fünf Jahren
verstorben war.
Die einzige interessante Spur war diese Frau, deren
leicht süßliches Parfüm nach wie vor im Raum schweb-
te.
Odds hob den Telefonhörer ab.
David Toland betrat seine Wohnung, hängte seine Jacke
an einen Kleiderhaken und warf den dicken gepolster-
ten Umschlag achtlos auf einen Sessel. Dann ließ er sich
auf sein Bett fallen und lockerte die Riemen seiner Stie-
fel, die er sich mit den Füßen abstreifte. Herrgott! Er war erschöpft, völlig ausgebrannt, kraftlos und fühlte sich
innen wie außen schmutzig.
Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme
hinter dem Kopf und schaute sich voller Enttäuschung
in seinem von den Gerichtsvollziehern geplünderten
Wohnzimmer um. Boris Gerstein, der europäische Pres-
sezar, ließ sich Zeit mit der Erfüllung seines Verspre-
chens. Bislang hatte noch kein Scheck Tolands Chero-
kee wieder in Schwung gebracht. Trotzdem brauchte
sich David keine Sorgen über seinen Kontostand zu ma-
chen. Dank der letzten Nacht, des entsetzlichen Massa-
kers und sämtlicher Prämien, die Milan ihnen gesichert
hatte, besaß er genug Geld, um seine Wohnung neu
einzurichten. Diese Vorstellung ekelte ihn an. Er war
einer von ihnen geworden ... Ein Aasfresser, ein Geier,
der von nun an mit dem Gesindel von Idioten zusam-
menarbeiten müßte, die von diesem Schwein namens
Steve Odds engagiert worden waren, für den ein ent-
nommenes Organ eher eine Handvoll Dollarnoten als
ein gerettetes Leben bedeutete.
David erinnerte sich an die Worte von Gerard Rous-
sel, seinem ehemaligen Assistenten, der angesichts des
leidenschaftlichen Idealismus seines Gefährten immer
wieder behauptet hatte, in der Geschichte der Medizin
sei diese Art der Kunst immer auch mit dem Prinzip der
Rentabilität verbunden gewesen. Die Gesundheits-
händler ... Den Bereich der Medizin, in dem eine Ver-
staatlichung
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