Die Geier
Schultern.
»... Ich könnte Sie problemlos vor den mit dem Fall
beschäftigten Untersuchungsrichter bringen. Mit drei
Morden kann ich haufenweise Rechtshilfeersuchen er-
gattern!«
Der Anwalt lächelte böse.
»Dann versuchen Sie's doch«, grinste er herausfor-
dernd.
Mescard wehrte ab.
»Nein, nein! Ich habe nicht die Absicht, so etwas zu
tun. Undwissen Sie auch, warum?«
Der Anwalt runzelte die Stirn.
»Ich weiß nur eins, Inspektor«, knurrte er. »Im Lauf
meiner Karriere habe ich viele Ihrer Kollegen kennenge-
lernt, und ich habe herausgefunden, daß es drei Arten
von Polizisten gibt: die Beamten, die Verbitterten und
die Duckmäuser. Ehrgeizlinge sind stets dieser letzten
Kategorie zuzuordnen. Ich weiß nicht, ob Sie ehrgeizig
sind oder nicht, aber in Sachen Heuchelei wird so
schnell niemand Ihnen das Wasser reichen.«
Mit dem Handrücken rieb Mescard sich über die
Nase.
»Monsieur Jean-Louis Voline«, begann er in leiden-
schaftslosem Ton, »Sie haben im Lauf Ihrer großartigen
Karriere nicht nur die Rechte von Witwen und Waisen
verteidigt. Sie wissen ganz genau, daß ein Gauner oft
viel mehr ausplaudert, als er gefragt wird . . . «
Er klopfte die Taschen seines Dufflecoats ab.
»Hätten Sie vielleicht eine Zigarette für mich?«
Der Anwalt schob ihm ein Kästchen zu, dessen Dek-
kel er öffnete. Mescard griff hinein, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und fünf andere in die
Manteltaschen.
»Ehrlich gesagt«, fuhr er fort, indem er nach dem
schweren runden Feuerzeug auf dem Schreibtisch des
Anwalts griff, »ich bin kein begeisterter Anhänger des
Gesetzbuches. Die Zeiten sind hart, jeder muß schauen,
wie er zurechtkommt. Und in meinem Alter beschäftigt
man sich nicht mehr mit solchen Lappalien wie Steuer-
hinterziehung, Verkaufsbetrug, Falschnamen beim An-
kauf von Wohnhäusern, die zur Prostitution und ande-
ren Geschäftchen bestimmt sind . . . «
»Reden Sie doch keinen Quatsch!« unterbrach ihn
Voline. »Kommen Sie endlich zur Sache. Ich hab nicht
viel Zeit!«
»Wissen Sie, daß Sie denselben Ton draufhaben wie
Bogart? Wie schaffen Sie es, einen solchen Akzent zu
haben, ohne den Mund zu verziehen? Mir gelingt das
einfach nicht ...«
Der Anwalt seufzte laut auf.
»Mustapha Moussi«, sagte der Inspektor nur.
Anwalt Voline runzelte die Stirn.
»Darauf hätte ich wetten können«, entgegnete er.
Langsam blätterte Odds den medizinischen Bericht
durch, dessen erste Seite fehlte. Auf den ersten Blick
schien die Akte echt zu sein, und die meisten Resultate
der Analysen stimmten mit den Angaben auf dem
Fahndungszettel überein. Mein Gott! Odds unter-
drückte einen Seufzer. Der von Alexander Sirchos ge-
suchte genetische Zwilling existierte tatsächlich, und er
lebte hier, in diesem Land, auf dem Territorium der
Z.S.A., auf seinem Gebiet! Das war zu schön ... Seine
Euphorie wurde wieder ein wenig gedämpft, als er
merkte, daß weder die Identität des Mädchens noch der
Name des Krankenhauses, in das es vor einigen Jahren
eingeliefert worden war, in der Akte aufschienen.
Wahrscheinlich hatten sie auf der herausgerissenen er-
sten Seite gestanden. Ohne diese Angaben war die Akte
nichts wert. Er hob den Kopf. Die Frau lächelte. Odds
schauderte. Er hatte Feinde, viele Feinde, doch nur we-
nige von ihnen ließen ihn nachts nicht ruhig schlafen;
aber es wäre ihm lieber gewesen, diese Hexe nicht zu
den letzteren zählen zu müssen.
»Ich benötige eine Zahlungsgarantie«, sagte die Frau.
Odds kreuzte die Arme. Im Prinzip hätte er sogleich
Alexander Sirchos benachrichtigen müssen, aber er
legte großen Wert auf seine wichtige Vermittlerrolle.
Seinem amerikanischen Korrespondenten zufolge stan-
den unbegrenzte Kredite und Prämien zur Verfügung.
Einen solch lukrativen Job ließ Odds sich nicht so
einfach durch die Lappen gehen.
»Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag«, erklärte er.
»Eine jährliche Rente von hundertfünfzigtausend bis an
Ihr Lebensende sowie eine erste Überweisung, sobald
wir die Echtheit dieser Akte geprüft haben. Was halten
Sie davon?«
»Eine Rente?« entgegnete die Frau sichtlich verärgert.
Odds beugte sich leicht nach vorn.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Madame ...«
»Madame Franck.«
»Madame Franck. Wir kaufen nicht nur diese Akte,
wir möchten uns ebenfalls auf Ihre Diskretion verlassen
können. Und eine jährliche Rente ist die beste Methode,
uns Ihre Diskretion zu
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