Die Geier
und
stellte sich vor den großen Spiegel, in dem er das Bild
eines dieser Geier sah, die er so lange gehaßt hatte.
Langsam streifte er seine weichen Lederhandschuhe
über und schlug derart kräftig gegen die Glasscheibe,
daß sie auf ihrer ganzen Fläche einen riesigen Riß be-
kam.
»Armes Schwein!« fluchte er leise und verließ die
Wohnung.
Statt den Aufzug zu nehmen, rannte er die Treppe
hinunter, um sich die Beinmuskeln zu lockern. Im un-
terirdischen Parking blieb er vor dem gewaltigen roten
Motorrad mit dem Seitenwagen stehen, in dem Gerard
Roussel in der ersten Zeit ihrer Zusammenarbeit, bevor
sie den Cherokee kauften, Platz zu nehmen pflegte.
Trotz ihrer Schnelligkeit und Wendigkeit hatte sich
diese Maschine mit der begrenzten Ladekapazität und
der verhältnismäßig einfachen Ausrüstung sehr bald als
unzulänglich erwiesen.
David setzte seinen Sturzhelm auf und schwang sich
auf die Maschine, deren Motor gleich beim ersten Start-
versuch aufzuheulen begann. Die Zeiten, wo er auf die-
sem roten Motorrad durch die Straßen der Hauptstadt
kurvte und als einziges Material einen Scanner, eine
Metallkiste mit einigen chirurgischen Werkzeugen und
zwei kleine Kühltaschen besaß, waren längst vorbei. Mit
dieser amateurhaften Ausrüstung hatten die beiden
Männer trotzdem gute Arbeit geleistet und die fehlende
Quantität durch Schnelligkeit und Geschicklichkeit
wettgemacht. Sie waren so sehr von ihrer Arbeit über-
zeugt ...
Das Motorrad fuhr die Ausfahrt hoch, das Eisengitter
öffnete sich und gab den Ausgang des Parkings frei. Mit
schwindelerregender Geschwindigkeit raste David auf
die Schnellstraßen zu.
Inspektor Mescard stand am Eingang des Gebäudes
und zündete sich eine der Zigaretten an, die er sich
beim Anwalt geborgt hatte.
»Das Flugzeug erwartet uns, Doktor. Ich will, daß Pa-
mela so schnell wie möglich operiert wird.«
Mark Zorski zog die Nase hoch. Das Kokain hatte zu
einer Entzündung seiner Stirnhöhle geführt. Gewiß,
Sirchos wußte zu überzeugen, aber im Grunde war es
mehr als das. Die Leute liebten es, von ihm überzeugt
zu werden. Seine Entschlossenheit, diese teuflische Fä-
higkeit, aus völlig hoffnungslosen Situationen einen
Ausweg zu finden, nötigte auch dem Chirurgen Be-
wunderung ab. Er erinnerte sich an die Bemerkung des
Milliardärs über Pokerspiele, die man in der Schwebe
lassen muß. Zorski hatte das sonderbare Gefühl, an ei-
nem Spiel teilzunehmen, bei dem er das unsagbare Ver-
langen hatte, es zu verlieren.
Der Arzt hob die Augen und spürte im grauen Blick
seines Gegners, daß sie den Höhepunkt des Kampfes
erreicht hatten.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Mister Sirchos?«
Der Milliardär gab sich etwas erstaunt.
»Aber selbstverständlich.«
»Sie behaupten, Ihre ganze Kraft gegen den Schmerz
und den Tod einsetzen zu wollen, aber wären Sie bereit
zu töten, um Ihre Frau zu retten?«
Die Augen des Milliardärs verengten sich ein wenig,
so als sei er kurzsichtig und würde auf diese Weise ver-
suchen, klarer sehen zu können.
»Vielleicht«, gestand er mit deutlicher Stimme. »Ich
empfinde Pamelas Krankheit als eine große Ungerech-
tigkeit, und gewiß wäre ich nicht abgeneigt, mich mit
einer anderen Ungerechtigkeit dagegen zu wehren.
Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.«
Diese Antwort verunsicherte Zorski erneut. Er war
nach wie vor davon überzeugt, daß Sirchos bluffte, aber
er hätte keinen Cent mehr darauf gewettet. Seine Über-
zeugung ließ allmählich nach.
»Ich will ebenfalls ganz ehrlich zu Ihnen sprechen«,
sagte er und bedauerte den Mangel an Bestimmtheit in
seiner Stimme. »Ich habe nicht die Absicht, dem Vor-
schlag, Ihre Frau zu operieren, zu folgen.«
Sirchos' Gesichtszüge verhärteten sich, verschlossen
sich vor innerer Wut.
»Das ist ganz allein Ihre Entscheidung . . . «
Zorski versuchte, der sich anbahnenden Spannung
entgegenzuwirken.
»Seit Monaten habe ich keine Herztransplantatio-
nen mehr vorgenommen. Doch andere Chirurgen in
Europa führen solche Operationen regelmäßig durch.
Es wäre klüger, sich an einen von ihnen zu wenden.«
Sirchos' Augen wurden zu zwei horizontal in eine Ei-
senmaske geschlagenen Schlitzen.
»Ist das der einzige Grund für Ihre Ablehnung, Dok-
tor Zorski?«
Zorski runzelte die Stirn.
»Genügt der Ihnen nicht?« fragte er etwas lauter. »Es
gibt Fakten, Mister Sirchos, die nicht zu leugnen sind.
Bei meiner vorherigen
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