Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
Vom Netzwerk:
waren gefürchtete Pokerspieler
    und seit langem mit allen Tricks vertraut. Das nahm
    Milan ihnen jedoch nicht übel. Er zahlte, aber er revan-
    chierte sich auf diese Weise an dem Schicksal, das ihn in
    einer Zone auf die Welt hatte kommen lassen, wo die
    Sonne nicht einmal auf das Elend scheinen und den
    Schlamm trocknen konnte.
    Drei Spieler am Tisch hielten sogleich mit und veran-
    laßten den Geier, noch höher zu setzen. Milan lachte
    noch lauter. Er kaute an seiner Zigarre herum und
    schaute seine Gegenspieler unverschämt an, einen nach
    dem anderen.
    Ein Mann in purpurroter Livree trat neben ihn. Er
    hielt einen Telefonapparat in der Hand, beugte sich zu
    ihm und murmelte.
    »Monsieur Odds will mit Ihnen sprechen.«
    Mit einer betont lässigen Bewegung stieß Milan den
    Mann zur Seite, so als würde er ein lästiges Insekt ver-
    scheuchen.
    »Später, mein Lieber, später!« wies er ihn in sonder-
    bar überspitztem Ton zurück.
    Boris Gerstein brach in schallendes Gelächter aus,
    und die anderen Spieler warfen ihm vernichtende
    Blicke zu.
    »Ich glaube, es ist äußerst wichtig«, beharrte der Diener.
    Milan seufzte, ergriff den Hörer, lehnte sich mit sei-
    nem Stuhl nach hinten und legte die Füße auf den
    Spieltisch.
    »Nun, Chef, was gibt's?«
    Am anderen Ende der Leitung drohte Odds vor Zorn
    fast zu ersticken.
    »Ich habe einen Spezialauftrag für Sie, Milan!« er-
    klärte der Boß der Z.S.A. »Kommen Sie so schnell wie
    möglich zu mir!«
    Gewöhnlich bedeutete der Ausdruck >Spezial<, daß es
    sich um einen äußerst widerlichen, aber sehr lukrativen
    Job handelte.
    »Im Moment spiele ich«, entgegnete der Geier gelas-
    sen.
    »Das ist mir scheißegal!« brüllte Odds.
    Milan grinste unverschämt.
    »Ist es wirklich so wichtig?«
    »Allerdings!« zischte Odds.
    »In dem Fall spiele ich meine letzte Partie zu Ende«,
    sagte Milan. »Und meine Prämie wird so hoch sein wie
    mein letzter Einsatz.«
    Odds schwieg einen Augenblick lang am anderen
    Ende der Leitung.
    »Was soll dieser Quatsch denn nun schon wieder,
    Milan?«
    »Bei dieser Partie ist die Einsatzhöhe unbegrenzt, aber
    ich habe nicht mehr viel Geld. Geben Sie mir Rücken-
    deckung?«
    Odds war erneut völlig verblüfft.
    »Was?« schrie er. »Gegen wen spielen Sie denn über-
    haupt?«
    »Gegen Carlus, den krabbenförmigen Rachitiker, der
    sich im nationalen Handel und in der Automobilindu-
    strie abrackert«, antwortete Milan glucksend.
    Dem alten Carlus fiel das Monokel von der Nase, und
    er schluckte vor Wut, während Gerstein sich vergnügt
    auf die Schenkel klopfte.
    »Und gegen Ihren Freund Passanti, der Liebling der
    Rußkis, der immer noch nach Gas stinkt«, fuhr Milan
    fort.
    Gerstein bekam vor lauter Lachen fast keine Luft
    mehr.
    »Und auch gegen dieses Ferkel namens Gerstein, wie
    Sie ihn zu nennen pflegen«, schloß der Geier.
    Augenblicklich erstarrte Gersteins Gesicht. Vergnügt
    legte Milan den Hörer auf den Tischrand und schaltete
    das Mikrophon ein, damit Odds die anderen Spieler hö-
    ren und selbst von ihnen gehört werden konnte.
    »Los, Boß, wir sind am Zug!« sagte der Geier.
    »Sie sind wohl völlig übergeschnappt, Milan!« brüllte
    Odds. »Ich ...«
    »Jetzt wird nicht mehr geredet, jetzt wird gespielt!«
    unterbrach Milan schroff.
    Boris Gerstein beugt sich etwas nach vorn.
    »Mein lieber Odds, hier spricht das Ferkel namens
    Gerstein. Übernehmen Sie tatsächlich die Garantie für
    diesen überheblichen jungen Mann?«
    »Natürlich tut er das!« antwortete Milan und tat, als
    würde er dem Hörer rechts und links eine runterhauen.
    »Nicht wahr, Boß? Nicht wahr?«
    »Einverstanden«, seufzte Odds.
    Milan setzte sich erneut bequem hin und kaute wei-
    terhin an seinem Zigarrenstummel.
    »In dem Fall«, sagte Gerstein, »befürchte ich, daß Sie
    in wenigen Minuten einen großen Teil des Kapitals Ih-
    rer Firma verlieren werden.«
    »Milan, ich ...«, flehte Odds.
    »Ruhe!« schrie der Geier. »Wir sind hier beim Pokern
    und nicht auf einer Pressekonferenz!«
    Sehr schnell wurden die Einsätze auf zwanzigtausend
    erhöht, und Passanti zog sich zurück. Milan saß zwi-
    schen Carlus und Gerstein, deren haßerfüllte Blicke
    starr auf den freudestrahlenden Milan gerichtet waren,
    der nach jedem weiteren Einsatz ein vergnügtes Gluck-
    sen von sich gab. Odds beschränkte sich darauf, am
    anderen Ende der Leitung mit immer leiser werden-
    der Stimme zu murmeln, daß er weiterhin mithalten
    werde.
    Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher