Die Geier
die auch ein fünfjähriges
Kind kommen könnte«, fuhr Mouss fort, ohne sich um
die Unterbrechung zu kümmern. »Ich habe alles genau
untersucht, Monsieur Odds. Punkt für Punkt, sämtliche
Details. Ein erheblicher Arbeitsaufwand. Aber das Re-
sultat ist ein dicker Aktenordner, von dem die Presse
begeistert sein wird und der in der Bevölkerung für ei-
nige Aufregung sorgen wird.«
»Sie phantasieren, mein lieber Freund . . . «
»Wenn Sie das Risiko eingehen, Monsieur Odds,
dann versichere ich Ihnen, daß Sie noch vor Ende dieser
Woche auf der Straße sitzen werden«, drohte Mouss.
»Gegen diese Flutwelle haben Sie keine Chance. Auch
wenn Sie die Polizei beschuldigen, einige ihrer Sammler
entlassen und Ihre Unschuld beteuern, wird niemand
Ihnen glauben, daß Ihre Opfer irgendwelche Opfer wa-
ren. Ich habe das Leben jedes einzelnen genau stu-
diert. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Monsieur
Odds?«
Ein nervöses Zucken bewegte Steve Odds' Wangen.
Dieser Dreckskerl war noch weiter gegangen, als er es
für möglich gehalten hatte.
»Es wird nicht einfach sein, das alles zu beweisen«,
knurrte er.
»Haben Sie Vertrauen zu mir!« spottete Mouss.
»Rechnen Sie sich aus, wie groß Ihre Chance ist, einem
solchen Skandal unbeschadet zu entkommen. Ich
werde mich wieder melden.«
»Warten Sie! Es wäre mir lieber, wenn wir uns sehen
könnten ...«
»Das glaube ich Ihnen gern! Sie halten mich wohl für
blöd!«
Steve Odds' fette Finger klammerten sich an den Te-
lefonhörer.
»Sagen Sie mir wenigstens Ihren Preis und welche
Bedingungen Sie stellen«, beharrte er.
»Versuchen Sie nicht, mich reinzulegen, Odds!« ent-
gegnete Mouss bissig. »Ich will fünfzehn Millionen für
sämtliche Unterlagen.«
»Fünfzehn Millionen!« wiederholte Odds.
»Alles zusammen oder in Raten, das ist mir egal!«
sagte Mouss spöttisch. »Das Geld werden Sie auf ein
Nummernkonto in Genf überweisen. Das Konto läuft
bereits auf meinen Namen, und ich brauche nur anzu-
rufen, um mich zu vergewissern, ob Überweisungen er-
folgt sind. Auch die Währung überlasse ich Ihnen. Und
wenn Sie noch mehr Zeit und Geld zu verlieren haben,
so versuchen Sie ruhig herauszufinden, wer Inhaber
des Kontos ist. Ich werde so viele Transfers kreuz und
quer durch die ganze Welt tätigen, daß Ihnen ganz
schwindelig wird. Schließlich ist auch nicht auszu-
schließen, daß ich mich auf Spekulationen mit Z.S.A.-
Aktien einlasse. Als ausgleichende Gerechtigkeit. Ich
bin sicher, daß mein Geld bei Ihnen in guten Händen
ist. Bis dann, Odds, und grüß mir dein Magenge-
schwür!«
Der schrille Piepston gellte in den Ohren des
Z.S.A.-Chefs.
Mouss verließ die Telefonzelle und rieb sich die Hän-
de. Er hatte das eindeutige Gefühl, das Spiel, dessen er-
ste Angriffe er sehr sorgfältig vorbereitet hatte, richtig begonnen zu haben. Aber er wußte auch, daß die wahre
Angst mit dem Warten auf eine Antwort seines Gegen-
spielers erst so richtig begann, auch wenn er deren
Symptome zu verdrängen versuchte. Für welches Ver-
teidigungssystem würde Odds sich entscheiden? Oder
würde er sich gleich beim ersten Angriff geschlagen ge-
ben? Würde er versuchen, Zeit zu gewinnen? Wahr-
scheinlich. Aber er durfte sich nicht täuschen lassen.
Andernfalls würde Odds zum Gegenangriff übergehen,
und Mouss kannte den Schwachpunkt seines Plans nur
zu gut: Sylvie Vercauteren. Odds und seine Männer
waren sehr wohl imstande, sie ausfindig zu machen.
Und somit auch ihn. Wenn es Odds gelänge, die Identi-
tät seines Gegners herauszufinden, wäre die Sache
nicht mehr so einfach. Dann würde der Kampf sich ver-
schärfen.
Schließlich kam Mustapha Moussi von sich aus - und
vermutlich auch aus einer gewissen Nachgiebigkeit - zu
der Überzeugung, daß er es wagen, ja sogar das zusätz-
liche Risiko eingehen konnte, Sylvie vor der ihr dro-
henden Gefahr zu warnen. Doch sollten Odds' Gesellen
Sylvies Wohnung bewachen, so würden sie sich um-
sonst bemühen: Mustapha hatte keinesfalls die Absicht,
dieses Haus noch einmal zu betreten. Die andere Mög-
lichkeit stellte ihn allerdings vor unlösbare Probleme.
Sollte er sich mit Sylvie versöhnen? Ihr gestehen, daß er
den Film nicht auf den Müll geworfen hatte? Ihr erklä-
ren, daß er vorhatte, den großen Chef der Z.S.A. zu er-
pressen? Das alles wäre viel zu kompliziert. Sollte er sie sich zur Komplizin machen? Sie zwingen, sich eine andere Wohnung zu
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