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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Ordensnamen werden nicht verliehen, wir behalten unsere Geburtsnamen. Du wirst ›Schwester Anna Maria‹ genannt werden. Unser Haus hier ist ein Kanonissenstift, das heißt, wir sind eine Gemeinschaft freier Frauen, die ihr Leben Gott geweiht haben, ohne sich einer der großen Ordenskongregationen anzuschließen. Wir bestimmen unsere Regeln selbst, orientieren uns dabei aber am Regelwerk des heiligen Benedikt, sowohl was unsere Tracht als auch was unseren Tagesablauf angeht. Wir leben in Klausur, versammeln uns zu den Tagesgebeten und gehen regelmäßiger Arbeit nach. Manche dieser Bestimmungen legen einige unserer Schwestern allerdings etwas freier aus. Das ist erlaubt, sofern es die Gemeinschaft finanziell nicht belastet. Wie weit du hier diese Freiheiten haben wirst … Wer ist das übrigens?«
    Mutter Clementia wies auf Mariana, die sich sofort ehrfürchtig vor ihr verbeugte und ihre Namen und Titel aufzählte, wie zuvor schon gegenüber Schwester Agatha. Diesmal allerdings nicht auftrumpfend, sondern voller Demut.
    »Seid willkommen, Frau Mariana«, grüßte die Äbtissin. »Ich freue mich für Euch, dass Ihr dem Leben unter Heiden entkommen seid und wieder im wahren Glauben leben dürft. Aber wie denkt Ihr Euch Eure Stellung in unserer Gemeinschaft? Als Novizin kann ich Euch nicht aufnehmen in Eurem Alter. Allerdings könntet Ihr in losem Anschluss an den Orden auf Dauer im Gästehaus leben. Wir haben schon zwei andere Damen, die sich dort eingemietet haben und durchaus zufrieden sind.«
    Marianas Gesicht entspannte sich zunächst, ihre Augen umschatteten sich aber, als sie das Wort »eingemietet« hörte.
    »Sie kann bei mir wohnen«, schaltete sich Amra ein. »Schwester Agatha sagte, wir dürften Dienstboten haben. Nun würde ich Frau Mariana natürlich nicht als … als Zofe haben wollen, eher als … als Gesellschafterin oder Lehrerin oder …« Sie verhaspelte sich in dem Versuch, der alten Freifrau eine Bleibe zu verschaffen, ohne sie zu beleidigen.
    »Es wäre eigentlich egal, Schwester Anna Maria, in welcher Funktion du sie einstellst«, meinte die Oberin kühl. »Wir sehen es zwar nicht gern, wenn gerade junge Schwestern mit einer Art Hofstaat eintreten, aber wie gesagt … sofern es die Gemeinschaft nicht belastet … In deinem Fall hat Herzog Heinrich allerdings kein Salär für Dienstboten vorgesehen. Stattdessen hat er eindringlich klargemacht, dass er dich im Sinne strenger Ordensregeln erzogen haben möchte. Es geht also nicht …«
    »Aber wo soll ich denn dann hin?«, brach es aus Mariana heraus.
    Amra sah sie verwundert an, sie hatte nie erlebt, dass die Freifrau sich derart gehen ließ.
    »Ich nehme an, der Herzog hat mir auch keine Pension ausgesetzt oder etwas Vergleichbares. Wie es aussieht, hat er mich ja Euch gegenüber gar nicht erwähnt. Was soll ich also tun?«
    Die Äbtissin zuckte die Schultern. »Da kann ich Euch nicht helfen. Wir sind kein karitativer Orden, weder pflegen wir Kranke noch füttern wir Bettler. Wenn Ihr mittellos seid …« Sie schien zu überlegen, wo sich das nächste Kloster befand, das hier anders orientiert war, aber in der Nähe gab es anscheinend keines.
    Amra biss sich auf die Lippen. Sie musste sich einer unfreundlichen Bemerkung enthalten, die Oberin war ihr offenbar ohnehin nicht sehr gnädig gestimmt. Aber Mariana war ihretwegen hier. Sie konnte nicht zulassen, dass diese Ehrwürdige Mutter die alte Frau ohne jede Gewissensbisse auf die Straße schickte. Amra fasste einen Entschluss.
    »Sie ist nicht mittellos«, widersprach sie. »Im … im Gegenteil, sie … sie übertreibt es manchmal ein bisschen mit der Demut, deshalb sagt sie es nicht. Aber … Bitte wartet kurz.«
    Ohne eine Entgegnung abzuwarten, wandte Amra sich um und rannte aus dem Raum, in der Hoffnung, jetzt, da es dunkel wurde, den Rückweg in die Ställe zu finden, aber der Kreuzgang wies ihr den Weg. Der Pferdestall war menschenverlassen, man hörte nur das zufriedene Kauen der Tiere. Sternvürbe begrüßte Amra mit leichtem Blubbern, der Hund sprang erfreut an ihr hoch.
    »Na, mein Kleiner, hast du gut aufgepasst?«, fragte sie ihn. »Sehr lange durfte ich deine Dienste ja nicht in Anspruch nehmen, aber ich denke an die Wurst.«
    Es war dunkel im Stall, aber Amra ließ die Tür offen, sodass sie sich durch das Mondlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, orientieren konnte. Ein weiteres Mal schob sie die Hundekiste zur Seite, hob ihren Schatz aus dem Loch und leerte den Beutel in ihre

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