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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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sie nachts wenigstens schlafen können. Die Köchin hatte die Mägde gut mit Essen und sogar Leckereien versorgt. Im Kloster dagegen war die Verpflegung karg – ausreichend, wenn man nur stickte und Kerzen zog, aber viel zu wenig für Amra, die ausmistete, Heu stapelte und Wasser schleppte. Sie schaffte es auch nicht immer, ganz pünktlich zu den Stundengebeten zu erscheinen – vorgeblich weil sich eine Fütterung einmal hinzog oder eine Heulieferung verspätet eintraf, tatsächlich aber, weil sie versuchte, die in der Kirche verbrachte Zeit so kurz wie möglich zu halten.
    Nach den ersten Tagen, in denen man noch nachsichtig mit der Neuen umgegangen war, zog das allerdings empfindliche Strafen nach sich. Den Essensentzug fürchtete Amra dabei am meisten, doch sie sollte bald merken, dass das noch nicht das Schlimmste war.
    Zwei Wochen nach ihrem Eintritt ins Kloster meldete sich wieder einmal Agatha bei der Kapitelsitzung. »Ich habe die traurige Pflicht, der Gemeinschaft zu melden, dass unsere Schwester Anna Maria in der Vigil eingeschlafen ist. Und Schwester Barbara, die neben ihr kniete, hat es versäumt, sie zu wecken.«
    Amra seufzte. Die Novizin neben ihr hatte stoisch geradeaus gesehen, als Amra beim Glockenschlag aus ihrem kurzen Schlummer auffuhr, und so hatte sie schon gehofft, dass ihr »Vergehen« unbemerkt geblieben war. Es kam nicht oft vor, dass sie während der Gebete eindämmerte. Sie schleppte sich zwar jede Nacht todmüde zur Kirche, aber die Kälte hielt sie wach. Den Tag zuvor hatte sie mit dem endlosen Stapeln unzähliger Garben Heu verbracht. Der Bauer, der es anlieferte, hatte helfen wollen, die Scheune zu füllen, aber auch hier griff die Regel der Äbtissin: kein Mann im Kloster. Und die Kellermeisterin hatte so schnell keine Hilfe für Amra beschaffen können. Die Klosterfrauen weigerten sich stets, diese anstrengende Arbeit zu tun, und die Hälfte der Novizinnen war zurzeit krank. Die Kälte und die karge Kost setzten nicht nur Amra zu. Am Abend war Amra jedenfalls völlig erschöpft auf ihr Lager gefallen – und hatte in der Kirche gleich weitergeschlafen. Jetzt wappnete sie sich für eine weitere Strafe, während Schwester Barbara noch versuchte, sich zu verteidigen.
    »Wenn sie wirklich geschlafen hat, habe ich es nicht gemerkt. Aber ich glaube, sie hat nur mit geschlossenen Augen gebetet. Sie … sie versenkt sich immer sehr tief in ihre Gebete …«
    Amra warf der jungen Schwester einen dankbaren Blick zu, Agatha dagegen gab eine Art trockenes Lachen von sich. »Sie ist fast von der Betbank gefallen«, bemerkte sie höhnisch. »Und ihr Kopf lag auf ihrem Gebetbuch. Wollte sie sich da auch hineinversenken, Schwester?«
    Die Oberin klopfte auf den Tisch, um die Novizinnen zur Ruhe zu bringen. »Ich glaube, wir haben genug gehört«, sagte sie schneidend. »Schwester Barbara – du wirst deine Mitschwestern heute Abend bei Tisch bedienen und selbst von der Mahlzeit ausgeschlossen bleiben, damit du lernst, den Dienst an anderen höher zu schätzen und genauer hinzusehen, wenn sie deiner Hilfe bedürfen. Du hättest Schwester Anna vor einer Sünde bewahren können … Und du, Schwester Anna …«
    Amra blickte demütig zu Boden, obwohl es in ihr kochte. Barbara hätte sie nicht am Einschlafen hindern können. Sie wurde nicht für Unachtsamkeit bestraft, sondern für ihr Schweigen.
    »Schwester Anna Maria wird heute von der heiligen Messe und von sämtlichen Stundengebeten ausgeschlossen«, verhängte die Oberin das zweite Urteil.
    Amra sah erstaunt auf. War es wirklich so einfach, um die verhassten Gottesdienste herumzukommen? Brauchte sie sich nur noch etwas schlechter zu benehmen und konnte dann womöglich wochenlang durchschlafen?
    »Tut mir leid …«, flüsterte Barbara, als die Ordensfrauen schließlich den Kapitelsaal verließen.
    Amra lächelte ihr zu. Sie hätte ihr gern gesagt, dass sie die Strafe eher als Belohnung empfand, doch jetzt griff natürlich wieder das Schweigegebot.
    Zur Zeit des nächsten Stundengebets erschien Barbara dann aber aufgeregt bei Amra in den Ställen. »Wo bleibst du?«, wisperte sie vorwurfsvoll. »Willst du es denn noch schlimmer machen?«
    Amra sah sie verwundert an. »Ich denke, ich bin ausgeschlossen«, meinte sie. »Dann brauche ich doch nicht zu kommen, oder?«
    Barbara wandte die Augen gen Himmel. »Du weißt überhaupt nichts …«, seufzte sie. »Komm jetzt, bevor wir beide noch mehr Ärger bekommen.«
    Die junge Schwester zog Amra im

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