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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Amtsräume der Oberin gebeten worden, um dort immer wieder denselben Ritter zu treffen. Herr Miladin war jung, freundlich und, wie Barbara mit verdächtig aufleuchtenden Augen erwähnte, sehr interessiert an der Arbeit der Buchmalerin. Er hörte sich Barbaras Vorschläge für seinen Herrn an und stimmte jeder Ausgabe zu. Der Obodritenfürst hatte keine Geldsorgen. Herr Miladin schien häufig zwischen der Mikelenburg und Sachsen hin- und herzureiten, um Barbara das Bestellte zu bringen.
    »Das ging schon fünf oder sechs Mal so«, berichtete Barbara. »So eine Bibel ist ja eine gewaltige Arbeit, ich hätte sicher noch zwei Jahre dafür gebraucht, und da bestellt man nicht alles auf einmal. Das war alles ganz … ganz normal … ganz … ganz unschuldig.«
    Amra vermutete dennoch, dass sich ihre junge Mitschwester auch stets ein bisschen auf Ritter Miladins Besuche gefreut hatte, was Mutter Clementia wohl als nicht ganz unschuldig gedeutet hatte.
    »Und dann?«, fragte Amra gespannt. »Ist er dir irgendwie … zu nahegetreten?«
    Barbara schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, nein, wo denkst du hin! Es war nur … Er hatte es wohl ein bisschen eilig, wollte vor dem Dunkelwerden noch nach Stellichte. Aber Mutter Clementia hatte irgendetwas in der Kirche zu tun, sie verspätete sich. Und ich traf den Herrn Miladin auf dem Korridor vor ihren Räumen.«
    »Und?«, erkundigte sich Amra. »Seid ihr euch in die Arme gesunken? Das Treffen allein kann es doch nicht gewesen sein, das konntest du in dem Fall ja wohl nicht vermeiden.«
    »Doch …«, flüsterte Barbara. »Also wir sind uns natürlich nicht … was … was denkst du nur …« Sie wurde glühend rot. »Aber er … also ich hätte natürlich gleich weggehen sollen. Ich durfte nicht mit ihm allein sein. Aber er … er grüßte ganz freundlich und fragte mich nach meinem Wohlergehen …« Barbaras Stimme erstarb ob dieser Ungeheuerlichkeit. »Und ich musste doch antworten, ich konnte doch nicht unhöflich sein. Und dann wollte er auch alles gleich auf dem Flur mit mir besprechen und holte den Beutel mit den Farben heraus … und … und er gab ihn mir … und ich glaube … also ich weiß … ja, unsere Hände haben sich ein bisschen berührt, aber das wollte ich doch nicht, und dann … na ja, dann kam Mutter Clementia, und es war schrecklich … Sie rügte mich und Herrn Miladin natürlich auch, er … er darf niemals wieder herkommen. Und ich … ich bin in Acht und Bann, das wird Mutter Clementia nachher auch allgemein kundtun. O Gott, und statt mich daran zu halten, breche ich schon wieder die Regeln … und du auch, du darfst doch nicht mit mir sprechen, du darfst mich nicht mal ansehen, du …« Die kleine Novizin brach erneut in Tränen aus.
    Amra vermutete, dass Herr Miladin bis zur Eroberung der Obodritengebiete Heide gewesen war und nicht hatte ahnen können, in welche Schwierigkeiten er Barbara mit seinen freundlichen Worten bringen würde. Doch nun hatte die junge Ordensschwester die härteste aller Klosterstrafen getroffen – den zeitweiligen Ausschluss aus der Gemeinschaft. In der nächsten Zeit würden alle Schwestern Barbara meiden, sie musste allein essen, durfte nicht an den Gottesdiensten und Kapitelsitzungen teilnehmen und musste die niedrigsten Arbeiten verrichten. Amra aber schwor sich, bei diesem bösen Spiel nicht mitzumachen. Gut, in der Öffentlichkeit würde ihr nichts anderes übrig bleiben, wenn sie Barbaras Schicksal nicht teilen wollte. Hier in den Ställen beobachtete sie jedoch niemand.
    Amra machte einen weiteren Vorstoß, den Arm um das hysterisch schluchzende junge Mädchen zu legen. »Hab keine Angst, Barbara, du bist nicht allein!«
    Die Oberin verhängte eine sechs Wochen lange Strafe über Barbara – unverhältnismäßig hart in Amras Augen, aber einen Mann zu berühren war wohl das größte Verbrechen, das man sich im Kloster vorstellen konnte. Die Mitschwestern waren der Ansicht, Barbara wäre noch glimpflich davongekommen. Ihre bisherige völlige Unbescholtenheit hatte ihr wohl mildernde Umstände verschafft.
    Die Verbannung kam die junge Novizin hart an, am meisten litt sie jedoch unter dem Verbot, ihrer geliebten Arbeit nachgehen zu dürfen. Mutter Clementia ließ offen, ob sie überhaupt ins Skriptorium würde zurückkehren dürfen, und Barbara brach jedes Mal in Tränen aus, wenn sie daran nur dachte. Obgleich es sie tröstete, dass Amra dabei mit ihr sprach, ihr alles erklärte und ihr Tätigkeiten abnahm, vor denen

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