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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Laufschritt hinter sich her und schaffte es gerade noch, rechtzeitig vor dem Schließen der Kirche hineinzuschlüpfen. So kam Amra eben noch pünktlich – die Äbtissin wartete schon mit verkniffenem Gesicht auf sie.
    »Du wärst schon wieder fast zu spät gekommen, Schwester Anna. Wenn sich das nicht ändert, werde ich die Strafe verlängern.«
    Und dann lernte Amra, was unter »Ausschluss vom Gottesdienst« zu verstehen war. Die betroffene Schwester blieb keineswegs gänzlich unbehelligt, sondern hatte sich vor der Kirche ausgestreckt auf die kalten Steine des Kreuzgangs zu legen, das Gesicht der Erde zugewandt. So wartete sie, bis auch die letzte ihrer Mitschwestern die Kirche nach dem Gottesdienst wieder verlassen hatte. Die Ordensfrauen stiegen schweigend über sie hinweg, niemand wagte, auch nur ein mitfühlendes Wort zum Trost zu sagen. Amra wusste nicht, ob ihr dabei die Kälte oder die Demütigung mehr zusetzte. Gegen diese Strafe war tatsächlich jede andere harmlos.
    In der Folge bemühte sie sich denn auch redlich, die Klosterregeln zu beachten, es geschah ihr jedoch immer wieder, dass sie ein Glockenläuten zu lange überhörte und es dann nicht rechtzeitig in die Kirche oder ins Refektorium schaffte.
    Zu all dem kam die Freudlosigkeit ihres Lebens im Kloster. Auf Arkona hatte sie mit Freundinnen geplaudert und gelacht, am Hof zu Braunschweig hatte es Melisande und Joana gegeben, mit denen sie sich austauschen konnte. Aber hier in Walsrode wurde selten gesprochen und fast nie gelacht. Die Klosterfrauen durften nur im Kapitelsaal und in ihrer knapp bemessenen Freizeit miteinander reden, und auch da wachte Agatha über die Gesprächsthemen. Amra wisperte nur manchmal ein wenig mit ihrer Bettnachbarin Barbara. Deren Familie hatte sie schon mit acht Jahren dem Kloster verschrieben. Barbara war schüchtern und ordnete sich den Regeln vollständig unter – sie hatte sehr viel Mut gebraucht, um sich für Amra einzusetzen, nachdem diese von Schwester Agatha angeschwärzt worden war. Aber auch noch nach sieben Jahren im Stift schluchzte Barbara nachts verzweifelt in ihr Kissen. Amra konnte dann kaum an sich halten, zu ihr zu gehen und sie tröstend in die Arme zu nehmen, sie wusste jedoch, dass man dafür beide streng bestrafen würde. Jede Berührung der Schwestern untereinander war unstatthaft. Und heimliche Gespräche … Amra wusste nicht, wie sie eine Gelegenheit dazu herbeiführen könnte.

Kapitel 4

    D er Winter im Kloster war hart, aber schließlich begann die Fastenzeit, und im Refektorium aß man Heringe. Als sie zum ersten Mal auf den Tisch kamen, freute Amra sich unbändig, erinnerten die gesalzenen, nicht mal sehr schmackhaften Fische sie doch an Rujana und die Fischer von Vitt. Womöglich waren sie dort gefangen worden, vielleicht hatten ihre alten Freundinnen und womöglich gar ihre Mutter sie ausgenommen und eingesalzen. Amra stellte sich vor, dass die Lieferung auf Schiffen von Herrn Baruch aufs Festland gekommen war, und hätte beinahe vor Heimweh und Sehnsucht nach einem normalen Leben geweint. Bei der dritten Heringsmahlzeit innerhalb einer Woche verlor sich das Gefühl allerdings, und nach zwei Wochen hasste sie Salzheringe wieder genauso sehr wie damals in Vitt. Dennoch hätte sie alles dafür gegeben, noch einmal den Ruf der Fischer zu hören, sogar die Plackerei des Einsalzens hätte sie auf sich genommen. Alles war besser, als im Kloster gelangweilt und schweigend einem Gott zu dienen, dessen Botschaft sie auch noch nach hundert Bibellesungen nicht verstand.
    Und noch etwas gab es, das Amra nicht losließ: die quälenden Fragen in Bezug auf Magnus. Anfänglich hatte sie jeden Tag auf einen Befreiungsversuch gehofft. Es konnte doch nicht sein, dass er sie einfach aufgab! Sie wollte nicht erneut daran glauben, dass er entscheidungsschwach und feige war. Aber als Wochen ohne ein Lebenszeichen ihres Ritters ins Land gegangen waren, begann sie, neben ihrer Sehnsucht und Liebe auch Zorn zu empfinden.
    Dann jedoch passierte etwas, das Amras Leben ein wenig aufhellte.
    Sie war eben dabei, Sternvürbes Verschlag auszumisten – die Stute stand immer noch in den Klosterställen, und Amra gab sich dem Traum hin, dass sie ihr in gewisser Weise noch gehörte –, als sich ihre junge Mitschwester Barbara scheu in den Stall drückte. Der Hund entdeckte sie natürlich sofort und meldete die Besucherin laut bellend. Barbara stieß einen erstickten Schrei aus, als er vergnügt an ihr hochsprang, und

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