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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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abgestimmt, und es widerspricht auch jeglichen Regeln des Benediktinerordens. Wenn Hildegard von Bingen es schafft …«
    »Ich bitte Euch, Mutter, Hildegard von Bingen melkt doch keine Kühe!«, wehrte sich Schwester Gundula. »Die sitzt in ihrer Schreibstube …«
    »Und ihre gehorsamen Schwestern übernehmen die schwere Arbeit, ohne zu klagen!«, erklärte Mutter Clementia. »So wie Schwester Agnes es jetzt auch tun wird. Du gehst augenblicklich in den Stall, Agnes, und leistest demütig und mit Gottes Hilfe die dir aufgetragene Arbeit!«
    Agnes schluchzte auf, und Amra fragte sich, wie Gott ihr wohl beim Melken helfen sollte. Er würde kaum vom Himmel zu dem Mädchen herabsteigen und ihr zeigen, wie man das machte.
    Amra hob schüchtern die Hand.
    »Was ist, Schwester Anna?«, fragte die Oberin unwillig.
    Amra holte tief Luft. Sie durfte jetzt auf keinen Fall etwas falsch machen, sonst traf die Wut der Äbtissin womöglich nicht nur Agnes.
    »Ich könnte Schwester Agnes das Melken beibringen«, bot Amra sich an. »Ich meine … Wir hatten immer eine Kuh, und …«
    »So weit kommt das noch!«, unterbrach Mutter Clementia. »Dass die Novizinnen sich selbst aussuchen, wo sie dienen wollen. Du wirst heute mit Schwester Serafina das Silber in der Kirche putzen und …«
    »Aber wenn Schwester Agnes sich doch so fürchtet …« Amra verstand einfach nicht, warum die Oberin das Hilfsangebot nicht einfach gestattete.
    Dann sah sie jedoch, dass die Kellermeisterin, eine runde, gemütliche Frau, die nicht aussah, als suchte sie Schwierigkeiten, ihr fast verschwörerisch zublinzelte. Dennoch wandte sie sich jetzt mit strenger Stimme an die beiden Novizinnen.
    »Das reicht jetzt, Schwester Anna Maria! Und auch du, Schwester Agnes, hörst augenblicklich auf zu weinen. Ihr werdet zur Buße für euer ungebührliches Benehmen drei Ave Maria beten und dann an die euch zugewiesene Arbeit gehen. Wobei ich als zusätzliche Strafe dafür plädiere, dass beiden die Teilnahme am Nachtmahl verboten wird. Stattdessen werden sie den Pferdestall misten …«
    Agnes schluckte jetzt krampfhaft die Tränen hinunter, wirkte aber noch verzweifelter – während Amra verstand.
    Gegen Abend traf sie die kleine Novizin im Stall und molk erst einmal rasch die Kuh ab. Eine Schale warmer, frischer Milch ersetzte das karge Abendmahl der Klosterfrauen aufs Beste, und Agnes arbeitete auch brav mit, als Amra die Pferde zum Misten aus ihren Verschlägen führte und auf der Stallgasse anband.
    Am nächsten Tag beorderte Schwester Gundula das junge Mädchen dann zum Putzen in die Kirche und schickte Amra gleich in die Ställe – was die Äbtissin stillschweigend duldete.
    Amra fütterte und mistete aus, freute sich, dass der Hund ihr dabei überallhin folgte und taufte ihn auf den Namen Bruder Wuff, wobei sie die förmliche Anrede meist wegließ. Wuff wurde ihr bald zum besten Freund und Begleiter und die Arbeit im Stall zur festen Stelle. Die Kellermeisterin dankte offensichtlich dem Herrn, dass sie endlich eine Freiwillige dafür gefunden hatte, und Amra beschwerte sich nicht. Durch die Tiere kam sie an die Luft, im Stall war es wärmer als in den Schreibstuben, und sie entging auch der dauernden Aufsicht durch die Mitschwestern, vor allem der übereifrigen Agatha. Es reichte schon, wenn sie deren Besserwisserei und Kritik während der Bibelstunden und Kapitelsitzungen ertragen musste. Agatha war auf eigenen Wunsch im Kloster und strebte auf Dauer sicher das Amt der Äbtissin an.
    Amra dagegen fiel es schwer, sich einzufügen. Mariana, mit der sie mitunter nach einer der Gebetsstunden oder nach der Messe ein paar Worte wechseln konnte, tröstete sie zwar damit, dass der Mensch sich letztlich an alles gewöhne, aber Amra glaubte das nicht. Gut, ihre Haut gewöhnte sich an die kratzige Kleidung, die obendrein viel zu selten gewaschen wurde. Sie selbst gewöhnte sich an das rasche Waschen mit kaltem Wasser, zu dem die Ordensschwestern in Walsrode immerhin angehalten wurden, und sogar die Nässe und Kälte in den Wohnräumen und der Kirche machten ihr im Laufe der Zeit weniger aus. An die ständigen Gebete, die Stunden, die sie kniend in der Kirche verbringen musste und vor allem den fehlenden Nachtschlaf gewöhnte sie sich allerdings nicht, und nach nur kurzer Zeit im Kloster fühlte sie sich nur noch zu Tode erschöpft.
    Das lag nicht an der Arbeit, auch auf Arkona hatte man sie weder als Fischerstochter noch als Küchenmädchen geschont. Doch da hatte

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