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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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völlig weltfremd, sie würde in der rauen Wirklichkeit außerhalb des Klosters allenfalls zurechtkommen, wenn man sie in eine Burg mit gut eingearbeitetem Gesinde versetzte, über die möglichst noch eine freundliche Schwiegermutter herrschte, und an deren Hof sie Haushaltsführung erlernen konnte. Mit ihrem Ritter auf der Straße zu stehen und ihrer beider Leben neu zu ordnen, war undenkbar.
    Eines Tages weihte Amra Mariana in Barbaras Geheimnis ein. Die wusste zu ihrer Verwunderung tatsächlich einen Rat.
    »Der junge Mann scheint doch eine recht feste Stellung am Hof des Fürsten Pribislav zu haben. Warum gesteht er nicht einfach, dass er sich verliebt hat, vielleicht findet sich die Stellung eines Ministerialen.«
    Amra machte dieser Vorschlag zuerst etwas Hoffnung, aber als sie dann weiter darüber nachdachte, erkannte sie, dass auch dies aussichtslos war. Wenn Miladin sich in eine Landadlige verliebt hätte oder sogar eine Bauerntochter, wäre das etwas anderes, aber mit dem Raub einer Ordensfrau wollte der eben christianisierte Pribislav ganz sicher nichts zu tun haben.
    So nahmen Barbara und Miladin in diesem Sommer erst einmal wieder Abschied. Amra schaffte es, ihnen einen ganzen Nachmittag Freiraum zu verschaffen, da sie Barbara vorgeblich zum Ernten von Kräutern brauchte. Amra hatte es inzwischen zu einigem Ansehen bei der Kellermeisterin und der Schwester Apothekerin gebracht. Beide wussten ihren Einsatz im Stall und im Garten zu schätzen, und sie wurde mitunter durch besondere Leckerbissen belohnt. Die Kellermeisterin schien ihr Amt ohnehin nur deshalb innezuhaben, weil sie gern aß, obwohl die Klosterregeln selbst den begüterten Ordensfrauen Grenzen setzten. Während Mariana und die beiden anderen, dem Kloster nur lose verbundenen Frauen im Gästehaus schlemmten, konnten die Schwestern sich allenfalls heimlich mit Zusatzverpflegung versorgen. Eine Ausnahme war Schwester Gundula. Für sie gab es immer etwas vorzukosten oder Rezepte auszuprobieren, die Kellermeisterin pflegte ihr Amt im wörtlichen Sinne »auszukosten«. Die weniger angenehmen Arbeiten wälzte sie nur zu gern auf Amra ab und zeigte sich dankbar, indem sie deren Wünschen in Bezug auf Hilfe durch andere Schwestern oder den Ankauf von Werkzeugen und Sämereien fast immer nachkam. Dank Amra gab es jetzt mehr und schmackhafteres Gemüse im Kloster. Küchenkräuter wucherten, im Klosterteich schwammen Forellen, ein Räucherofen war installiert worden – und wenn Amra bei all der Arbeit auch mal die Hilfe von Schwester Barbara in Anspruch nehmen wollte, die schließlich sechs Wochen lang bei ihr Erfahrungen gesammelt hatte, dann legte sich Schwester Gundula sogar mit der Leiterin des Skriptoriums an, um die Novizin freizustellen.
    An diesem letzten Tag, den Barbara mit Miladin verbringen konnte, händigte die Kellermeisterin Amra einen Krug Wein aus. »Hier, lasst es euch schmecken, die Arbeit geht dann doch rascher von der Hand!«, meinte sie freundlich, froh, dass sie selbst sich nicht beteiligen musste.
    »Nimm doch den Wein gleich mit, in den die Kräuter eingelegt werden«, regte die Schwester Apothekerin gleich darauf an. »Du weißt ja, ich habe Heuschnupfen.«
    Amra wusste nicht, ob das stimmte, aber Schwester Mechthild nahm ihre Allergie immer wieder als Vorwand, ihre Heilkräuter nicht selbst ernten zu können. Sie betraute damit Amra, nicht ohne lange Vorträge darüber zu halten, dass dieses Kräutlein nur bei Sonnenaufgang, jenes zur Mittagszeit und wieder ein anderes allenfalls bei Vollmond geschnitten werden dürfe. Amra hielt das alles für Unsinn, schnitt die Kräuter, wann es gerade passte, genoss aber die Freistellung von so manchem Gottesdienst, weil sie angeblich zu einer bestimmten Zeit Heilpflanzen zu ernten hatte.
    Die Apothekerin revanchierte sich mit bestem schwerem Wein. Sie verlor nie ein Wort darüber, dass Amra für die Arbeit mit den Pflanzen höchstens die Hälfte davon brauchte, den Rest aber nie zurückbrachte. Amra hortete den Wein für kalte Wintertage, auch für die nächste Fastenzeit stellte sie etwas zurück. Den Klosterregeln nach stand jeder Ordensfrau ein Viertelliter am Tag zu, aber während der Fastenzeit wurde nur Wasser gereicht. Dabei kam der Verzicht auf wärmenden Alkohol und gutes Essen die Schwestern in dieser Zeit besonders hart an. Im Februar pflegte es oft noch zu schneien und zu stürmen, Amra hatte sich halb totgefroren bei den nächtlichen Kirchgängen und hoffte, das im folgenden

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