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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Die Novizenmeisterin prophezeit es uns vor jedem Gottesdienst, das weißt du doch. Du kannst nicht wirklich geglaubt haben, dass jetzt dieses Gelübde den Wandel bringt.«
    »Es geht nicht um Erleuchtung!«, fuhr Barbara sie an. »Es geht um … um Reinheit, um … Verzeihen … ich … ich hab geglaubt … ich musste doch glauben, dass das Ewige Gelübde alles ungeschehen macht.«
    »Aber was denn ungeschehen?« Amra war ratlos. »Die Sache mit deinem Ritter? Das ist doch längst vorbei, hast du gesagt. Das hat Gott dir bestimmt vergeben, so es denn was zu vergeben gab.«
    Barbara schüttelte heftig den Kopf. »Hat er nicht!«, stieß sie dann hervor. »Im Gegenteil, er … er hat mich gestraft, verflucht, er … Sie haben gesagt, mit diesem Tag könnte ich alles auslöschen, aber …«
    »Aber du denkst immer noch an Miladin?«, riet Amra.
    Barbara schluchzte auf. »Ich habe nicht geblutet«, flüsterte sie dann. »Ich weiß, dass man blutet, wenn … wenn Gott Erbarmen zeigt.«
    Amra dachte angestrengt nach. Natürlich bluteten auch die Schwestern wie alle anderen Frauen auf der Welt jeden Monat. Aber das wurde eher als ein Fluch gesehen, der die Frauen seit Eva traf, nicht als Zeichen göttlichen Erbarmens. Es sei denn …
    Amra stockte der Atem. Plötzlich ergab alles einen Sinn: Barbaras morgendliche Übelkeit, ihre fraulichere Figur und das unbändige Glück, das sie an jenem letzten Tag mit Miladin ausgestrahlt hatte. Barbara hatte sich ihrem Ritter hingegeben. Und nun trug sie sein Kind.
    Amra drehte die zitternde, weinende Freundin entschlossen zu sich um. »Barbara, das ist doch kein Fluch! Das ist eine Freude! Das ist ein Wunder. Du hast es selbst gesagt, Miladin und dir ist ein Wunder geschehen, Gott hat dich an diesem Tag mit ihm gesegnet. Natürlich ist das jetzt etwas schwierig … ich weiß auch nicht, was man da macht, wir müssen Mariana fragen. Mutter Clementia wird natürlich außer sich sein. Bestimmt werden sie dich des Konvents verweisen. Aber du kannst nach Mikelenburg gehen. Mariana muss noch etwas von meinem Schmuck haben, das geben wir dir für die Reise. Miladin gibt es uns dann einfach später zurück. Er muss mit seinem Fürsten reden, es muss ein Hofamt für ihn zu finden sein. Jetzt, wo er Vater wird. Es wird natürlich nicht einfach, Barbara. Du musst Vertrauen haben! Alles wird gut!«
    Amra wusste nicht, wie es unter den Christen war – auf Rujana hatte sich letztlich meist alles zum Guten gewendet, wenn ein Mädchen, ohne sich mit einem Mann die Eide geschworen zu haben, schwanger geworden war. Natürlich hatten sich Eltern oder Dienstherren aufgeregt, dann hatten sich jedoch alle zusammengefunden, und das Paar war mit den nötigen Mitteln ausgestattet worden, einen Hausstand zu gründen. Hier lag die Sache natürlich etwas schwieriger. Amra wollte daran glauben, dass sich auch für Barbara alles zum Guten wenden würde.
    Barbara blickte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Der Ehrwürdigen Mutter soll ich es sagen?«, fragte sie mit tonloser Stimme. »Und Miladin dem … dem Fürsten? Nein, nein, das … das muss Gott regeln, ich bin doch … ich bin doch eine Braut des Herrn, er … ich hab mich ihm doch versprochen. Jetzt muss er auch … jetzt muss er auch Erbarmen mit mir haben.« Barbara stand auf. Sie wandte sich entrückt dem Altar zu, schien ihren göttlichen Bräutigam dort aber nicht zu finden. »Ich muss … das ist nicht der richtige Ort«, flüsterte sie. »Gott … Gott wohnt im Himmel, ich muss … ich muss ihm näher kommen, muss zu ihm hinaufgehen, ja, das … das wird ihn freuen, ich …«
    Barbara eilte auf den Glockenturm zu und kletterte die Stiege zum Kirchturm hinauf. Amra folgte ihr. Sie kannte die Treppe, einige Male hatte sie geholfen, die Kirche zu putzen, und die Belohnung war der Blick vom Kirchturm hinunter auf das Kloster und das Dorf gewesen. Die meisten Frauen mochten nicht hinaufgehen, die Weite, die Tiefe machte ihnen Angst. Aber Amra hatte sich dort oben an die Klippen auf Rujana erinnert gefühlt, auch wenn hier kein Strand und kein rauschendes Meer unter ihr lag und man nur ein paar Häuser und Felder und dahinter den bis zum Horizont reichenden Wald sah. Bislang war sie allerdings immer bei Tageslicht hochgestiegen, jetzt wurde die Treppe nur von diffusem Mondlicht erhellt. Ihr folgte eine recht steile Stiege, und zuletzt führte eine Leiter bis zu einer kleinen Plattform unter dem Glockenstuhl. Dort hing das Seil, mittels dessen

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