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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Mikelenburg – Roskilde – Bayern – Hamburg
1170 bis 1171

Kapitel 1

    Ein weiterer Winter ging ins Land, und Amra fror sich erneut durch endlose Nächte unter klammen Decken und auf harten Kirchenstühlen. Ihrem Fluchtplan aus dem Kloster, in den sie Miladin einbezogen hatte, war sie noch nicht nähergekommen, aber der Ritter erschien auch nicht wieder in Walsrode. Fürst Pribislav ließ weiter an seiner Bibel arbeiten, die Farben brachte jetzt ein anderer Ritter. Amra hätte ihn gern zu Miladin befragt, die Gelegenheit bot sich jedoch nicht, und es hätte ja auch nichts gebracht. Sie konnte sich schon selbst denken, was mit Miladin geschehen war. Amra glaubte nicht, dass der junge Ritter seine Geliebte aufgegeben hatte. Eher war er zu tollkühn, zu verzweifelt tapfer gewesen, um sich endlich auszuzeichnen, ein Lehen oder ein Hofamt zu erhalten und Barbara vielleicht doch noch aus dem Kloster holen zu können. Und dann hatten eine Lanze, ein Schwert oder ein Pfeil seinem Leben ein Ende gemacht. Amra fand fast ein wenig Trost darin, dass Barbara wenigstens den Verlust ihres Liebsten nicht mehr erleben musste. Vielleicht waren die beiden jetzt ja wieder vereint in einer besseren Welt, geschützt von der Hand einer höheren Macht, die nach Amras Ansicht allerdings sicher weder Gott hieß noch Svantevit.
    Amra selbst arbeitete nach wie vor in den Ställen und Gärten des Klosters und dachte manchmal daran, die Mauern einfach allein zu überklettern und zu flüchten. Möglich wäre das gewesen, eine Leiter stand leicht zugänglich in einem der Schuppen. Aber eine junge Frau allein im Habit einer Ordensfrau … Wenn überhaupt, dann gelänge eine solche Flucht nur im Sommer, wenn sie Alltagskleidung von einer Wäscheleine stehlen konnte, bevor man sie wieder aufgriff. Immerhin war dies ein Plan, an dem sie festhalten konnte. Amra besaß zudem noch die Fibel des Herzogs, die sie versetzen konnte, sofern sie ungesehen die nächste Stadt erreichte. Und dann … Vielleicht gelang es ihr ja, sich nach Stralow durchzuschlagen. Herr Baruch würde ihr sicher helfen.
    Doch lange bevor noch der Sommer anbrach und Amras Pläne fassbar wurden, hielt eine Abordnung Herzog Heinrichs Einzug im Gästehaus des Klosters.
    »Unter Leitung des Herrn Heribert«, berichtete Mariana im Flüsterton nach der Messe. Die alte Edelfrau wollte die Neuigkeiten rasch mit Amra teilen. »Er spricht nicht über seinen Auftrag, aber es hat mit dem Kloster zu tun, morgen hat er eine Audienz bei der Oberin. Womöglich geht es ja um dich, Kind!«
    Amra zuckte die Schultern. »Was sollte der Herzog von mir wollen? Nach zweieinhalb Jahren? Der hat mich längst vergessen, Mariana. Seine Mathilde sollte inzwischen im gebärfähigen Alter sein, und wenn sie ihm nicht genügt, dann gibt es wohl andere willfährige Mädchen am Hof.« Sie lächelte verschwörerisch. »Eher geht es gerade um eines von ihnen. Vielleicht hat Mathilde ihn ertappt, und das Kloster bekommt Zulauf.«
    Mariana schüttelte den Kopf. »Sei nicht so respektlos, Kind. Man möchte meinen, die Jahre im Kloster hätten dich geläutert, aber du …«
    »Frau Mariana, Schwester Anna Maria!« Ein tadelnder Blick der Novizenmeisterin brachte Mariana zum Schweigen.
    Amra senkte den Kopf. Die Novizenmeisterin kritisierte sie schärfer seit der letzten Profess. Amra war jetzt die älteste Novizin im Kloster, außer ihr gab es nur noch ein paar jüngere Mädchen und einen Schwarm Neuzugänge, die fast noch Kinder waren. Ihnen allen sollte Amra ein Vorbild sein – und natürlich sollte sie spätestens in einem Jahr die Ewigen Gelübde ablegen. Amra war fest entschlossen, vorher zu fliehen, aber dazu musste sie die Klosterleitung zunächst in Sicherheit wiegen. Sie bemühte sich um tadelloses Verhalten, um die wenigen Freiheiten, die sie besaß, ja nicht zu verlieren.
    So machte es Amra denn auch nervös, als am nächsten Tag eben jene Novizenmeisterin im Stall erschien, um nach ihr zu sehen. Amra hatte eben die Kuh gemolken und verbotenerweise ein bisschen Milch für sich abgezweigt. Es war wieder mal Fastenzeit, und sie war ständig hungrig. Schuldbewusst wischte sie sich rasch mit dem weiten Ärmel ihres Habits über den Mund, damit sie ja kein Milchbart verriet, und löste rasch die Knoten ihres Gürtels, mit denen sie sich den weiten Rock bei der Arbeit hochband, um ihn nicht zu beschmutzen. Die strenge, ältere Schwester warf tatsächlich prüfende Blicke auf Amras Kutte und ihren Schleier. Aber

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