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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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warte, all das kannst du mir nachher erklären. Sag mir zunächst nur, ob du etwas von Amra gehört hast? Ich habe sie damals wochenlang gesucht, aber nicht gefunden. Hat man sie vielleicht doch nach Bayern gebracht?«
    Heriberts Bestürzung wandelte sich zu purem Entsetzen, als er merkte, dass Magnus völlig ahnungslos war. »Du weißt nicht, Magnus … du …? Himmel, Magnus, du musst mir versprechen, dass du jetzt ruhig bleibst! Du kannst nichts mehr ändern, es ist … es war ihr Wunsch, wie gesagt … Mach jetzt keinen Fehler, Magnus, hör mir gut zu«, stieß Heribert hektisch aus.
    In diesem Moment stimmte der Chor der Mönche, die den Bischof aus Schwerin nach Mikelenburg begleitet hatten, einen Choral an. Ein Raunen ging durch die versammelte Menschenmenge in der bis zum Bersten gefüllten Kirche, als die Braut den Mittelgang entlangschritt. Wunderschön in ihrem frühlingsgrünen Kleid und den roten Flechten, die wie ein Mantel über ihre Schultern fielen. Der hauchdünne Schleier konnte ihr blasses, ernstes Gesicht nicht vollkommen verhüllen …
    »Amra …« Magnus stöhnte auf, als er die junge Frau erkannte, sie hörte ihn jedoch nicht.
    Als er aufspringen wollte, stürzte Heribert über den Gang und hielt seinen Freund fest. »Halte dich zurück, Magnus, du kannst hier nichts tun. Und sie …«, Heribert brachte die Lüge kaum hervor, aber es schien ihm die einzige Möglichkeit, Magnus zu beruhigen, »… sie wollte es so. Sie hat zugestimmt, glaub es mir. Sie …«
    Magnus hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.
    Der Bischof hatte inzwischen begonnen, die Messe zu zelebrieren, Amra und Niklot standen vor dem Altar und verfolgten sein Tun. Niklot schien nicht still stehen zu können. Mit allen Zeichen der Ungeduld spielte er immer wieder mit dem Tasselriemen, der seinen Mantel hielt. Amra dagegen stand stocksteif vor dem Bischof, sie bewegte sich nicht und zeigte auch sonst keinerlei Regung. Magnus konnte den Blick nicht von ihr wenden – ihre schlanke Gestalt, die schweren roten Flechten auf ihrem Rücken. Es konnte nicht sein, dass sie diesen Mann liebte – nicht Niklot, nicht den Kerl, der schon einmal so brutal versucht hatte, sie zu schänden.
    Der Gottesdienst rauschte an Magnus vorbei, bis der Bischof sich schließlich vor dem Brautpaar aufstellte und begann, die rituellen Fragen zu stellen.
    Bisher war die Messe in lateinischer Sprache gehalten worden, aber jetzt sprach Berno von Schwerin ein ungelenkes Slawisch. Magnus verstand etwas von Liebe und Treue und Ehre – in seinen Ohren klang es nur verlogen –, und er hörte Niklot ein rasches, ungeduldiges »Ja, ich will!« ausstoßen. Jetzt nestelte der Slawe einen Ring aus seinen Gewändern, und der Bischof wandte sich an Amra. Wieder stellte er die bei der Hochzeitszeremonie üblichen Fragen nach Liebe in guten und in schlechten Zeiten … Wie konnte es für sie gute Zeiten geben, wenn Magnus nicht bei ihr war? Kein Laut durchbrach die Stille in der Kirche, als der Gottesmann auf Amras Antwort wartete.
    »Ich … ich …« Die junge Frau schien um Worte zu ringen.
    »Es heißt ›Ja, ich will‹«, versuchte der Bischof zu helfen.
    Amras Stimme klang erstickt, niemand konnte verstehen, was sie murmelte. Niklots böser Seitenblick traf sie wie ein Schlag, unter dem sie sich zu ducken schien. Ihre Hand fuhr fahrig zu ihrem Schleier.
    In diesem Moment sprang Magnus von der Kirchenbank auf. Heribert versuchte, ihn auf seinem Platz zu halten, aber er schüttelte seine Hand ab.
    »Nein, sie will nicht!«, rief er in das angespannte Schweigen. »Das seht Ihr doch, Herr Bischof, und all Ihr Ritter. Gibt es niemanden, der für sie einsteht? Wollt Ihr sie wirklich zwingen, hier etwas zu geloben, was sie nicht geloben will?«
    Magnus hörte das Raunen in der Kirche, spürte alle Blicke auf sich gerichtet. Noch hob niemand die Waffen. Und dann wandte Amra sich ihm zu, und er vergaß alles. Sie sah ihn mit einem Blick an, als hätte sie plötzlich ihren Glauben an Gott und alle Engel wiedergefunden, dem Blick eines Todgeweihten, dem sich der Weg zurück ins Leben öffnete.
    »Und habt Ihr nicht überhaupt etwas vergessen, Exzellenz?« Magnus dämpfte die Stimme nicht, erinnerte sich aber Gott sei Dank an die korrekte Anrede für einen Bischof. »Hättet Ihr nicht fragen müssen, ob nicht jemand etwas dagegen einzuwenden hat, dass Ihr Amra von Arkona und Niklot von Mikelenburg miteinander verbindet?«
    Der Bischof holte tief Luft. Er sah, dass

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