Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
ausbrachte.
    »Ihr müsstet sie eigentlich kennen, Herr Vaclav. Seid Ihr nicht auch Rane und von königlichem Blut? Sie gehörte zu den Geiseln des Königs – fuchsrotes Haar und das Temperament einer Löwin! Man sagt, sie sei eine Tochter König Tetzlavs. Oder eine Nichte?«
    Vaclav hatte so getan, als versuche er sich zu erinnern, und tatsächlich arbeiteten seine Gedanken fieberhaft. Weder Tetzlav noch Jaromar hatten Töchter. Und rothaarige Ranen waren ohnehin selten. Eigentlich hatte es nur eine auf Rujana gegeben … Vaclav spürte erneut den Schmerz und die Wut, die er empfunden hatte, als ihm Amra damals verloren gegangen war. Er hatte sich mit ihr vermählen wollen, und sie hatte sich ihm entzogen! Vaclav war fest davon überzeugt, dass sie das Schicksal einer Geisel in einem fremden Land nur gewählt hatte, um ihn zu verärgern. Und ausgerechnet dieser ungeschlachte Niklot hatte es geschafft, die Wildkatze zu zähmen!
    Vaclav knirschte mit den Zähnen. Sollte er den Obodriten fordern? Schließlich hatte er ältere Rechte! Aber dann würde er damit den Zorn König Waldemars und Herzog Heinrichs auf sich ziehen – wenn er das Duell überhaupt überlebte. Niklot war in dieser Nacht zwar bezecht, doch er galt als wahrer Berserker im Kampf. Er war größer und schwerer als Vaclav und befand sich auf eigenem Terrain. Auf ein Wort von ihm oder Pribislav würde man Vaclav ins Verlies der Burg werfen – zumindest bis die Ehe eingesegnet und vollzogen war.
    Vaclav zwang sich also zur Ruhe und zum Nachdenken. Ob Niklot vielleicht von seinen Heiratsabsichten Abstand nahm, wenn Vaclav die Lüge um Amras adlige Abkunft aufdeckte? Die junge Frau war nicht annähernd gleichen Ranges wie ihr künftiger Gatte. Aber Niklots Begierde würde das natürlich nicht beeinflussen. Er würde Amra zwar sicher strafen, behalten würde er sie trotzdem – wenn nicht als Gattin, dann als Mätresse. Vaclav konnte sich nur schwer damit abfinden, doch ihm fiel kaum etwas ein, das er tun konnte, um dem Fürsten Amra abzuwerben. Meuchelmord kam ihm in den Sinn. Er konnte in die Gemächer des Fürsten eindringen, Niklot im Bett erschlagen und die Braut rauben. Wenn er es geschickt anstellte, bekam er sie vielleicht sogar hinaus aus der Burg … Aber was dann? Energisch verwies Vaclav den Gedanken in das Reich der Träume. Eine solche Tat wäre gefährlich und dumm. Und sie lohnte sich nicht, die Welt war schließlich voller Frauen.
    Gegen Mittag erhob sich Vaclav endlich, um seinen Pflichten nachzukommen. Er würde diese Hochzeit überstehen und sich dann in den Straßen um die Burg herum nach einer rothaarigen Hure umsehen. Das würde ihm helfen, sein Blut abzukühlen. Und wenn er keine fand, war da ja auch noch der Sklavenmarkt. Frauen und Mädchen aus allen Teilen der bekannten Welt kamen nach Mikelenburg auf den Markt. Irgendeine Irin oder Schottin mit rotem Haar würde sich finden.
    »Ihr seid wunderschön! Die schönste Braut, die man sich nur denken kann!« Relanas Zofe, ein zierliches blondes Mädchen, das Amras Haar gerade in unzählige Zöpfe geflochten hatte, in die sie jetzt Frühlingsblumen steckte, stand bewundernd vor ihrem Werk. »Aber Ihr solltet lächeln. Bitte lächelt, wenn Ihr in die Kirche eintretet. Euer Strahlen wird alles um Euch herum blenden!«
    Vielleicht kann ich ja entwischen, wenn sich die Gäste die Augen reiben, weil sie geblendet sind von meinem Strahlen, dachte Amra mit einem Anflug von Galgenhumor. Sie wusste, dass sie schön war, schließlich hatte sie ihr Hochzeitskleid auf der Horeburg bereits probiert – ein Gewand in den Farben des Frühlings, zartgrün, mit einem weiten Ausschnitt, wie es die Edelfrauen in diesem Jahr trugen. Die Ärmel fielen lang über ihre Hände, der Saum wie auch der Gürtel des Kleides waren mit roten Achatperlen besetzt. Der passende Schapel zierte ihr Haar, sein Grün passte zu den Stengeln der hineingeflochtenen Blumen und betonte ihre Augenfarbe. Aber strahlen würden diese Augen heute sicher nicht, Amra war eher nach Weinen zumute. Diese Blöße würde sie sich allerdings nicht geben! Sie würde sich beherrschen und an Mathilde Plantagenet denken. Die war am Tag ihrer Vermählung sicher genauso unglücklich und ängstlich gewesen wie sie und dazu noch viel jünger, aber sie hatte die Haltung einer Königin gezeigt. Amra würde nicht hinter ihr zurückstehen, auch sie hatte ihren Stolz!
    Relana und die wenigen Frauen und Mädchen, die ihre Kemenaten mit ihr teilten,

Weitere Kostenlose Bücher