Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Martha zufrieden. »Nicht so schwarz wie unser Goliath, aber doch so dunkel, dass er mit der Dämmerung verschmelzen konnte.«
Amra konnte die Veränderung ebenfalls kaum fassen. Sie schaute immer wieder ungläubig zu Magnus hinüber, als sie ihre Pferde bestiegen und sich zur Weiterreise in den Zug der Gaukler einreihten. Abends, als sie sich wieder auf dem Umhang der Äbtissin ausstreckten und sich mit Vaclavs Mantel zudeckten, küsste sie Magnus’ dunkles Gesicht und sein nussig duftendes Haar.
»Was würde die Mutter Oberin dazu sagen, dass ich heute mit einem blonden, morgen mit einem dunklen Geliebten das Lager teile!«, murmelte sie.
Magnus zog Amra in die Arme. »Ich werde dir beweisen«, meinte er, »dass die beiden einiges gemeinsam haben …«
Kapitel 9
D er Magier Graubart führte seine Gruppe nach Rostock, änderte aber die weitere Reiseroute, als ihm Amra von den Ursprüngen der Pferdeorakel berichtete. Magnus’ Hengst hatte gleich am ersten Markttag ein kleines Vermögen an Kupferpfennigen eingebracht, zusammen mit dem Verkauf von Vaclavs Rüstung genügend Geld, um einen leichten Planwagen zu kaufen, den Sternvürbe ziehen konnte.
»Es ist besser, wir zeigen das vor Leuten, die nicht erst seit drei Jahren getauft sind«, erklärte Graubart. »Nicht, dass wir noch wegen Gotteslästerung verfolgt werden. Die Slawen hängen ihrem Götzen sicher noch an, und mancher mag das Orakel auf Rujana gekannt haben.«
Die Schausteller zogen also wieder nach Südwesten, und Amra und Magnus machten sich Sorgen, als sie Braunschweig näher kamen. Es war nicht auszuschließen, dass die junge Herzogin Mathilde mit ihren Hofdamen den Jahrmarkt besuchte. Graubart erklärte sich allerdings sofort bereit, die Stadt zu umgehen, als Amra vorsichtig Andeutungen machte.
»Glaub mir, junge Freundin, für jeden von uns gibt’s solche Orte«, sagte der Magier verständnisvoll lächelnd. »Zu gute oder zu schlechte Erinnerungen, eine Dummheit oder ein Fehlurteil passieren jedem mal. Die Welt ist groß, und sie ist ein einziger Jahrmarkt. Wen kümmert’s da, ob wir die Trommel in Braunschweig schlagen oder im Bayernland.«
Amra nickte also aufatmend und zog sich vor dem seit einigen Tagen wieder mal anhaltend fallenden Regen in ihren Wagen zurück. Es war angenehm, nicht mehr im Freien schlafen zu müssen, wie schon oft auf dieser Reise ärgerte sie sich jedoch darüber, dass der Planwagen kaum Platz bot. Wenn die wenigen Habseligkeiten von Amra und Magnus darin verstaut waren – zwei Bündel Kleidung und Kochgeschirr –, war gerade noch genug Raum vorhanden, um sich aneinandergeschmiegt zur Ruhe zu begeben. Schon für Wuff, der es hasste, nass zu werden, war nicht mehr genug Platz. Die anderen Gaukler hatten größere und komfortablere Planwagen, und Amra wünschte sich auch einen solchen, so schwer es ihr fallen würde, sich dafür von Sternvürbe trennen zu müssen. Aber bei Magnus traf sie hier auf taube Ohren.
»Wir werden doch wohl nicht für immer auf der Straße leben«, argumentierte er. »Was sollen wir uns also mit einem großen Wagen und einem Maultier belasten und die schöne Zelterin dafür veräußern. Die wirst du vielleicht noch brauchen!«
Amra fragte sich, was ihm hier wohl vorschwebte. Sie selbst konnte sich kein Leben mit Magnus vorstellen, in das ein elegantes Damenreitpferd passte. Sie merkte indes, dass es Magnus schwerfiel, sich mit seinem neuen Stand abzufinden. Er war nie reich gewesen, aber doch mit Leib und Seele Ritter. Trotz aller Enttäuschungen glaubte er an die Tugenden und Werte des Adels, und es kam ihn hart an, Amra spärlich bekleidet vor johlenden Bauern tanzen zu sehen. Martha, eine geschickte Näherin, hatte ihr eine Pluderhose und ein Oberteil geschneidert, die Amras Erinnerungen an Basimas und Dschamilas Bekleidung ziemlich nahe kamen. Gunda und Martha freuten sich, wenn die Männer, die Amras Tanz mit glühenden Blicken gefolgt waren, danach in ihre Wagen strebten, um ihre Lust zu stillen. Eine Lust, die Amra entfacht hatte … Magnus mochte gar nicht daran denken, wessen Fleisch die Kerle wirklich vor Augen hatten, wenn sie sich über Gundas oder Marthas Körper warfen.
Und auch die Sache mit dem Pferdeorakel gefiel dem Ritter nicht wirklich. Amra und Graubart sowie der Rest der Truppe konnten noch so sehr über die Kupferpfennige jubilieren, die er damit verdiente – er lebte mit einer Lüge, und das war eines Ritters unwürdig. Magnus tat sich denn auch schwer mit
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