Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
verstanden kein Wort des auf der Insel gebräuchlichen Ranisch, aber als sie merkten, dass Amra versuchte, sich mit ihnen zu verständigen, sprachen sie ihre offensichtlich aufgeschlossene junge Dienerin in verschiedenen Sprachen an. Amra erkannte Kastilianisch, das sie selbst allerdings nicht beherrschte, und dann hörte sie erstmalig Basimas weiches, korrektes Französisch.
Die junge Frau war entzückt, als sie merkte, dass Amra sie verstand, und beantwortete bald darauf bereitwillig ihre neugierigen Fragen. Die beiden Orientalinnen stammten aus Al Andalus, einem Land im Süden, dessen Könige sich Emire und Kalifen nannten und dessen Bevölkerung ihre Wurzeln im arabischen Raum hatte. Sie waren Sklavinnen, solange sie denken konnten, schon als kleine Kinder von einer Frau gekauft, die eine Art Schule für Haremssklavinnen betrieb. Basima und Dschamila lernten dort zu singen und zu tanzen, Instrumente zu spielen und verschiedene Sprachen zu sprechen. Sie beherrschten alle möglichen Künste – ihre künftigen Herren im Bett zu befriedigen, aber auch anderweitig zu unterhalten. Egal, ob die Männer kindische Spiele spielen oder sich mit ihrem reizvollen Gegenüber ernsthaft über politische oder philosophische Probleme austauschen wollten. Mit ihrem derzeitigen Besitzer waren Basima und Dschamila mehr als zufrieden.
»Natürlich ist der Fürst alt, aber er ist gut zu uns!«, zwitscherte Dschamila, die Jüngere.
Ihr Gesicht war noch kindlich gerundet, und sie liebte die Honigkuchen, die Amra ihr aus der Küche brachte. Dementsprechend rundlich war ihr Körper denn auch, aber das schien in ihrem Land durchaus erwünscht zu sein.
»Er freut sich über uns, ist nicht erbost, wenn … wenn es uns nicht immer gelingt, sein Schwert zum Leben zu erwecken …«
Basima kicherte. »Aber wenn es uns gelingt, ist er dankbar …« Sie spielte mit einer Bernsteinkette, zweifellos ein Geschenk ihres neuen Herrn. »Und wir können das gut.«
Amra schaute sie ungläubig an. »Ihr … man … man hat euch allen Ernstes gezeigt, wie es geht? Wie man … die … die Männlichkeit von alten Männern erweckt?«
Dschamila nickte und erhob sich gleich zum Beweis. Während Basima ein seltsames Lied intonierte und dazu eine nicht minder exotische Laute schlug, begann Dschamila einen fremdartigen Tanz. Ihr Unterkörper schob sich dabei einem gedachten Gegenüber entgegen, als brenne er nur so darauf, das Geschlecht eines Mannes in sich aufzunehmen. Amra errötete vor Scham.
Dschamila und Basima lachten.
»Wir können auch mit unseren Fingern Wunder wirken … Sollen wir’s dir zeigen?«
Den jungen Frauen schien ihre Kunst absolut nicht peinlich zu sein, im Gegenteil, sie waren stolz darauf.
»Es ist ja eher selten, dass wir einen jungen Herrn bekommen«, führte Basima schließlich weiter aus. »Die meisten von uns werden in den Harem eines alten Mannes verkauft, die jungen haben gar nicht das Geld dafür. Und es kauft auch selten jemand eine Kostbarkeit wie uns für sich selbst. In aller Regel werden wir verschenkt … So wie jetzt an euren König.«
Amra runzelte die Stirn. »Und das macht euch gar nichts aus? Verschenkt werden wie … wie ein Schmuckstück … wie ein … ein Pferd?«
»Ein sehr edles Pferd!«, erklärte Basima selbstbewusst, ohne im Entferntesten beleidigt zu sein.
Amra konnte sich darüber nur wundern, fand die jungen Mädchen aber liebenswert, und sehr bald entwickelte sich zwischen ihr und den Orientalinnen eine Freundschaft. Mit Basima und Dschamila konnte sie über alles reden – auch deshalb, weil niemand sonst auf der Burg Französisch sprach. Geheimnisse blieben also unter den drei jungen Frauen. Amra lernte vieles über Männer, Frauen, ihre Gefühle und ihren Körper. Irgendwann erkundete Basima schnell und mit ungemein geschicktem Finger, dass Amra trotz der Nächte in König Tetzlavs Schlafzimmer noch Jungfrau war. Das Wissen darum erleichterte Amra – und ganz sicher würde sie ihre Unberührtheit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wie andere Mädchen, die auf der Burg arbeiteten. Und Vaclav von Arkona war der Letzte, dem sie ihre Jungfräulichkeit zu opfern gedachte.
»Lass mich jetzt gehen!«, beschied sie den jungen Mann, als sie den Inhalt des Schöpfeimers endlich in ihre Waschkaube schütten konnte. »Ich muss meine Arbeit erledigen. Und Ihr … Ihr habt sicher auch etwas zu tun.«
Letzteres bezweifelte sie, aber Vaclav ließ sie nun wirklich in Frieden. Für heute jedenfalls –
Weitere Kostenlose Bücher