Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
warten. Ich kann Euch vor dem Bankett am Abend empfangen, nach der Morgenmesse und nach den Beratungen mit dem Bischof.«
Vaclav seufzte. Die Beratungen mit Absalom würden Stunden dauern, der Bischof nahm sich stets Zeit für Jaromars christliche Unterweisung. Vaclav musste sich in Geduld üben. Aber Magnus und Amra liefen ja nicht weg. Im Gegenteil, sie schienen sich ganz sicher zu fühlen. Vaclav freute sich schon auf den Ausdruck in ihren Augen, wenn er mit einer Eskorte Ritter vor ihrer Kate stehen würde, um Magnus festzunehmen! Und später, wenn Magnus abgeurteilt war, konnte er die kleine rothaarige Hexe holen. Sie würde eine glanzvolle Herrin der Burg Karentia sein, wenn er sie erst mal gezähmt hatte! Dabei würde er allerdings nicht zimperlich vorgehen – endlich könnte er Vergeltung üben.
Vaclav griff an sein vernarbtes Gesicht. Amras Übergriff hatte Spuren hinterlassen, die Brüche und klaffenden Wunden waren nur unzulänglich verheilt und schmerzten bei Wetterumschwung. Sie würde mit jedem Blick in seine Teufelsfratze daran erinnert werden, was sie getan hatte. Es war ihre Schuld, wenn er keinen schönen Anblick mehr bot.
Fürst Jaromar empfing Vaclav tatsächlich erst am späten Nachmittag des folgenden Tages, aber dann nahm er sich Zeit für ihn. Der Bischof hatte sich zu einer Ruhestunde vor dem abendlichen Bankett zurückgezogen, Jaromar hingegen war noch ganz erfüllt von all den Erleuchtungen, die ihm am Tag zuteil geworden waren.
Vaclav unterdrückte ein Stöhnen, als Jaromar ihn vor der Unterredung aufforderte, mit ihm zu beten, aber dann ließ er die Prozedur doch widerspruchslos über sich ergehen. Anschließend lauschte ihm der Fürst mit voller Aufmerksamkeit. Vaclav versuchte, heiligen Zorn über Magnus’ Vergehen in seine Worte zu legen, aber so recht sah er keine Widerspiegelung seiner Empörung in Jaromars Zügen.
»Ihr müsst mir erlauben, den Mann festzusetzen und seiner gerechten Strafe zuzuführen!«, endete Vaclav schließlich und sah Jaromar fest an.
Der seufzte und rieb sich die Stirn. »Ach, Vaclav, es ehrt Euch ja, dass die Entweihung eines Gotteshauses Euch so hart ankommt«, meinte er dann. »Aber seht es doch einmal mit etwas milderem Blick. Der Mann sollte seiner Ritterwürde verlustig gehen, das allein ist schon ein sehr hartes Urteil. Vielleicht hätten es ein paar Monate der Einkehr in einem Kloster auch getan. Herr Niklot war ja wohl kein Unschuldsknabe.«
Fürst Jaromar brachte Fürst Pribislav und den seinen keine größere Zuneigung entgegen. Ihm war wohl bewusst, dass die Obodriten noch wenige Jahre vor Herzog Heinrichs Feldzug das Svantevit-Orakel auf Rujana befragt hatten. Ihre schnelle Bekehrung zum Christentum nach dem Sieg des Löwen nahm er ihnen da nicht ab. Außerdem verübelte er ihnen die Teilnahme am Feldzug gegen Rujana. Gut, sie hatten vielleicht ihre Lehnspflicht erfüllen müssen, aber ein Bruderkrieg war es doch gewesen. Um Fürst Niklot konnte Jaromar nicht trauern.
»Aber wie auch immer, Gott hat es ja richtig gefügt. Gestern lernte ich den jungen Mann als einfachen Bauern kennen, der sein Los mit Demut trägt.« Jaromar füllte einen Becher mit Wein, ohne Vaclav etwas anzubieten.
»Er war bereits kein Ritter mehr, als er Niklot erschlug!«, gab Vaclav zu bedenken.
Jaromar hob die Hände. »Ach, kommt, Vaclav, verschont mich mit diesen Haarspaltereien. Ich versteh’s ja, dass es Pribislav gefiel, diesen Zweikampf als Meuchelmord hinzustellen. Aber nach allem, was ich hörte, fiel der Fürst in ritterlichem Kampf, und die Bedingungen kann man auch nicht als unausgeglichen bezeichnen: Niklot war einen Kopf größer als der Däne und wahrscheinlich doppelt so schwer!«
»Und die Frau?«, fragte Vaclav heftig. »Die er geraubt hat? Mal ganz abgesehen davon, was sie vorher schon angestellt hat? Da war auch schon etwas mit diesem Magnus, bevor Herr Heinrich sie ins Kloster schickte.«
»Sie scheint nicht unfreiwillig bei ihm zu sein«, meinte der Fürst. »Aber die Klostererziehung erklärt ihre angenehmen Umgangsformen und ihr angemessenes Betragen in der Kirche. Sie scheint mir eine sehr gute Christin zu sein, die sicher den besten Einfluss auf die Frauen in diesem Dorf hat.«
Vaclav schnaubte. Das alles lief gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. »Und dass sie Herrn Heinrich weggelaufen ist? Dass sie … ihn betrog mit diesem Magnus?«
Jaromar blickte seinen Ritter streng an. »Herr Heinrich ist mit Mathilde Plantagenet
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