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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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warf schließlich genug ab, um die Familie auch ohne Hilfe zu ernähren. Er konnte Amra jedoch kaum verbieten, sich und ihr Kind von ihrem Vater verwöhnen zu lassen. Die beiden gönnten sich ein wenig Luxus, gerade so viel, dass die anderen Dörfler nicht allzu begehrlich wurden. Edita trug niedliche Kleidchen und Hemdchen aus feinem Leinen, und Amra nähte sich zwar einfache Kleider, aber aus gutem Tuch. An Sonntagen oder zum Erntefest hielt sie ihr Haar mit einem Reif aus grüner Emaille zurück, und Magnus fand, dass er sie besser kleidete als jeder Goldschmuck eine Königin.
    Gleich am nächsten Tag schon war das Wetter geeignet für eine Reise. Amra legte ihren Leiterwagen mit Decken aus und spannte die Plane darüber, die sie einstmals als Schausteller genutzt hatten. Sie würden mehrere Tage unterwegs sein, und womöglich würde es zwischendurch doch noch regnen. Edita krabbelte unternehmungslustig auf dem Mantel der Äbtissin herum, bewacht von Wuff, den auch mal wieder das Fernweh packte. Vergnügt bellend schloss er sich an, als Magnus den Wagen aus dem Dorf lenkte.
    Als Amra und Magnus die Straße nach Wittow erreichten, hatte Vaclav sie eben verlassen. Er führte sein Pferd auf die etwas abseits gelegene Dorfkirche zu und fand Vater Jozef darin beim Abstauben der Monstranz.
    »Ihr wieder, Herr Ritter?«, begrüßte ihn der Geistliche verwundert. »Bringt Ihr Nachricht von Vater Tomaz?«
    Jaromars Hofgeistlicher forderte immer wieder mal Berichte oder übermittelte ihm Anweisungen. Auch was Spenden betraf. Überall auf Rujana wurden trotz der knappen Mittel Kirchen gebaut. Jozef sollte seine Gemeinde dazu anhalten, dafür zu sammeln. Leider stieß er hier bei den meisten Dörflern auf taube Ohren. Sie leisteten ihre Abgaben und alimentierten ihren Priester. Mehr war ihnen der neue Glaube nicht wert.
    Vaclav schüttelte den Kopf. »Ich habe nur eine Frage, Vater«, sagte er mit dem leicht drohenden Unterton, den er gern in Worte legte, die er an Untergebene richtete, »neulich spracht Ihr von einer Hexe im Ort …«
    Jozef versuchte, sich zu erinnern, und lief dabei gleich rot an. »Ach, Katica … nein, nein, Herr Ritter, da liegt nichts Ernstes vor, ich habe damals nur einen Scherz machen wollen. Natürlich war sie Priesterin der Mokuscha, und sie ist nach wie vor die Hebamme im Dorf. Aber sie geht zur Kirche wie jedes andere Christenweib.«
    Der Geistliche schlug mehrfach das Kreuz, während er für Katica sprach. Er hatte keineswegs die Absicht, der weisen Frau etwas anzuhängen. Die hätte sich schließlich leicht rächen und ihn ihrerseits verraten können. Katica opferte Mokuscha, Vater Jozef opferte Svantevit. Das Christentum war eine Sache, die alten Götter gänzlich zu verärgern, eine andere.
    »Soso«, meinte Vaclav und spielte mit seiner Schwertscheide. »So gibt es also niemanden im Dorf, der etwas Schlechtes über sie sagen würde? Niemanden, den sie verhext hat, keinen, den sie den bösen Blick hat spüren lassen?«
    Jozef schüttelte entschieden den Kopf, allerdings befürchtete er, der Ritter würde sich mit diesem einfachen Nein nicht abspeisen lassen. »Ach, Herr, wenn so eine jahrelang Hebamme ist, dann macht sie sich natürlich Feinde«, meinte er schließlich. »Da stirbt mal eine Frau im Kindbett, und der Mann hadert mit dem Schicksal, oder ein Weib bringt das achte Mädchen zur Welt, und sie machen die Hebamme dafür verantwortlich.« Er lachte unsicher und versteckte die Hände in den weiten Ärmeln seiner Soutane. »Aber das ist ja alles nicht haltbar. Nein, nein, die Katica tauft die Kinder auch, wenn sie tot zur Welt kommen oder schwach, die ist schon recht, die Katica.«
    »Und es gibt hier niemanden, der das anders sehen würde?«, fragte Vaclav noch einmal drängender. »Niemanden, dessen Namen du mir nennen kannst?« Er näherte sich dem Priester bedrohlich.
    Vater Jozef dachte verzweifelt nach. Es durfte nichts sein, was der Hebamme wirklich schadete. Keine tote Frau, kein totes Kind. Schließlich fiel ihm etwas ein. Eine Meinungsverschiedenheit, keine große Sache.
    »Der Radek ist erzürnt über sie«, sagte er. »Sein Weib hat im Sommer das fünfzehnte Kind geboren in weniger als zwölf Jahren. Die Katica sagt, das sei zu viel, die arme Frau würde am nächsten sterben. Und sie hält sie an, sich dem Radek zu verweigern. Sie wollt ihr auch das letzte Kind wegmachen, aber da hab ich eingewendet, dass der Herr Jesus das nicht gutheißt, und da haben sie’s

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