Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Familie ungeschoren davongekommen.« Während er sprach, nahm Magnus den Platz im Palas ein, den ein Diener ihm anwies.
Jaromar ließ sich ebenfalls auf den für ihn vorbereiteten erhöhten Stuhl nieder und nickte wohlwollend, um Magnus’ Bitte nachzukommen. Er erließ auch einer armen Familie die Schulden, in der in diesem Sommer das fünfzehnte Kind zur Welt gekommen war. Die Leute hatten zwar ohnehin nur einen Hahn abzugeben, aber Jaromar sagte nun lächelnd, dass er sich allein mit dem Kamm des Tieres zufriedengebe.
»Aus dem Rest sollen sie der Mutter eine gute Suppe kochen«, meinte er. »Sagt ihr meinen Glückwunsch, Gott hat ihr Haus gesegnet.«
Magnus wusste, dass Katica da ganz anderer Meinung war. Sie hatte der völlig erschöpften, verhärmten Frau im Winter angeboten, der erneuten Schwangerschaft mit einem Trank ein Ende zu setzen, aber die Bäuerin hatte sich nicht getraut. Der Gott der Christen, so hatte der Priester ihr erklärt, verdamme solche Eingriffe, sie werde in der Hölle schmoren, wenn sie sich dem Lauf der Dinge widersetze. Jetzt war das Kleine geboren und sie am Ende ihrer Kräfte. Amra und die anderen Frauen kümmerten sich reihum um die Frau und ihre Kinder. Einen weiteren »Segen« dieser Art würde sie nicht überleben. Magnus empfand Erleichterung darüber, dass Amra bereits gegangen war. Sie hätte dem Fürsten die Umstände womöglich vorgehalten.
Zu Jaromars größter Freude hatte Magnus auch die Menge der Abgaben im Kopf, die sein Dorf nun wirklich leisten konnte, und diktierte sie dem Schreiber rasch in die Bücher. Es gab kaum Fragen, und die Wagen mit den Gütern standen auch schon bereit. Der Schreiber musste nur noch hinausgehen und die Säcke, Fässer und Garben zählen.
»Ihr werdet alles an seinem Platz finden«, versicherte Magnus Jaromar.
Tatsächlich kehrte der Schreiber binnen kürzester Zeit zurück und nickte dem Dorfvorsteher anerkennend zu. Jaromar war mehr als zufrieden. Der junge Mann schien also fehlerlos zählen zu können. Viele Auseinandersetzungen über den Zehnten der Dorfgemeinschaften ergaben sich einfach daraus, dass die Landbevölkerung keine Zahlen kannte.
Nun stand nur noch das Gericht an, und Jaromar zeigte sich leutselig, indem er den jungen Bauern vorher mit Brot, Fleisch und einem Humpen Bier bewirten ließ. Danach ließ er ihn unterhalb seines Throns Platz nehmen und empfing die Bittsteller. Erfreulicherweise waren es nur zwei, Magnus kümmerte sich also gut um seine Dorfgemeinschaft. Der erste Konflikt, es ging um die Grenze eines Feldes, ließ sich auch leicht lösen. Magnus flocht geschickt die Bitte der Dörfler ein, ein paar weitere Gewann Wald roden und die Anbaufläche erweitern zu dürfen.
»Unsere Siedlung wächst, wie Ihr vorhin ja schon huldvoll vermerkt habt«, sagte er mit einem Lächeln. »Und unsere beiden Freunde hier müssten sich nicht um diese Feldkante streiten, um ihre Familien ernähren zu können. Ihr brauchtet Euch auch um nichts zu kümmern, wir haben Gespanne und Werkzeug genug.«
Letzeres gab den Ausschlag. Jaromar litt unter der Abgabenlast gegenüber König Waldemar – der Däne holte sich das Geld für Heinrichs Anteil am Rujaner Schatz von den Insulanern zurück. Frühere Einkünfte durch Seeräuberei sowie das Svantevit-Orakel blieben dagegen aus. Jaromar musste die Steuern ständig erhöhen und hatte kein Geld übrig.
Nun gestattete er den Dörflern, vier weitere Gewanne Wald unterhalb des Schwarzen Sees zu roden, und die beiden streitenden Nachbarn schieden mit der Zusicherung, dann genug Land zugewiesen zu bekommen.
Beim zweiten Fall ging es um eine Rauferei, deren Hintergründe Magnus dem Fürsten vorher kurz erläuterte. Jaromar entließ die Streithähne schließlich mit zwei Anweisungen aus der Bibel – man möge friedlich bleiben und dem Gegner im Zweifelsfall auch die andere Wange hinhalten, darüber hinaus solle man nicht seines Nächsten Weib begehren. Tatsächlich hatte hier der Dorfschmied den Tischler verprügelt, weil der seiner Frau schöne Augen machte.
»Das war es schon?«, fragte Jaromar erfreut, als sich kein weiterer Bürger vorwagte.
Magnus nickte.
»Gut!«, meinte der Fürst und sah ihn anerkennend an. »Ich hatte ja erst etwas Bedenken. Meist gibt es böses Blut, wenn ein neuer Dorfvorsteher sein Amt aufnimmt, aber hier scheint ja wirklich alles in bester Ordnung zu sein. Mein Schreiber wird dir ein kleines Geschenk aushändigen, womit ich dir für deine Arbeit danke. Mach
Weitere Kostenlose Bücher