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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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auch jetzt noch oft Handschriften mit. Zudem profitierte sie von König Tetzlavs Vernarrtheit in seine orientalischen Gespielinnen: Basima und Dschamila erhielten regelmäßig auch die teuersten Abschriften der neuesten Erzählungen. Sie waren genauso verrückt danach wie Amra – nur dass sie von klein an gelernt hatten, dass Liebe nichts anderes sein konnte als ein schöner Traum.
    Als Amra Basima und Dschamila schließlich einem Rendezvous mit ihrem König überließ, wartete schon ein Botenjunge auf dem Wehrgang vor den Kemenaten auf die junge Frau.
    »Hast du Zeit, Amra? Der Kaufmann Herr Baruch fragt nach dir. Du brauchst dich aber nicht zu beeilen, er wartet am Haupttor, bis du deine Pflichten für heute Nacht erledigt hast. Und wenn du es vor dem Dunkelwerden nicht schaffst, kommt er morgen wieder.«
    Amra schenkte dem Knaben einen der Honigkuchen, die Dschamila übrig gelassen hatte, und bat ihm, Herrn Baruch zu bestellen, dass sie gleich komme. Sie musste noch bei der Königin vorbeischauen, aber Libussa war anspruchslos. Sicher würde sie Amra freigeben, um den Kaufmann noch vor Schließung der Tore treffen zu können. Die junge Frau war neugierig. Bislang hatte Herr Baruch nie eine förmliche Verabredung mit ihr getroffen und ihr dazu gar einen Boten geschickt. Gewöhnlich verließ er sich bei ihren Treffen auf den Zufall, schließlich wusste er ja nie, wie viel sie zu tun haben würde und wie lange sich seine eigenen Audienzen beim König oder bei den Priestern hinziehen würden. Meist schaute er einfach in der Küche vorbei, wenn er Zeit hatte, und sofern Amra gerade dort war, schenkte er dem Koch eine Münze und kaufte sie damit eine Zeit lang frei. Dann wanderten sie hinauf zur Klippe, um sich zu unterhalten – wobei Herr Baruch stets darauf achtete, dass sie von den Wachtürmen aus sichtbar blieben. Niemand sollte auf den Gedanken kommen, dass er ihr mehr war als ein väterlicher Freund.
    Mitunter lud der Kaufmann Amra auch in eine der Garküchen rund um den Tempelbezirk ein, und sie beobachteten das rege Treiben rund um das Orakel des Gottes. Herr Baruch empfand größtes Vergnügen dabei, den Priestern bei ihren Auslegungen zu lauschen, besonders der Hohepriester Muris hatte es ihm angetan. »Hör möglichst oft zu, Amra, da kannst du etwas lernen«, sagte er ihr einmal lächelnd. »Der Mann versteht es meisterhaft, mit vielen Worten weder Ja noch Nein zu sagen. Keiner dieser Leute geht mit einer wirklichen Prophezeiung, alles bleibt offen, aber jeder meint, man habe ihm genau das geweissagt, was er hören wollte.«
    Herr Baruch sprach dann auch von älteren Orakeln wie dem der Pythia in Delphi und ließ Amra dadurch immer weiter an ihrem Glauben an die Allmacht der slawischen Götter zweifeln. Mitunter verschaffte er der jungen Frau auch einen freien Tag und nahm sie mit nach Vitt, wo sie von ihrer Mutter verwöhnt und von den anderen Mädchen ihres Alters beneidet wurde. Es war immer schön, Herrn Baruch zu treffen, aber es geschah auch immer überraschend. Außer an diesem Tag.
    Amra konnte sich nicht rasch genug freimachen und hinüber zum Haupttor eilen.
    Herr Baruch begrüßte sie freundlich wie immer, aber erstaunlich ernst. Er war einige Wochen lang nicht auf Rujana gewesen – und anscheinend gab es in der Außenwelt bedrohliche Entwicklungen.
    »Ich wollte dich noch kurz sprechen, bevor du morgen mit dem Hof nach Karentia gehst«, sagte er schließlich und wanderte mit ihr am Burgwall entlang auf die Klippen zu. Offensichtlich sollte niemand ihrem Gespräch lauschen.
    »Morgen?«, fragte Amra verdutzt. Die Frauen des Königs erwarteten ihre Abreise erst in einigen Tagen. »Da müsst Ihr Euch irren, Herr. Der König hat noch keinen Tag für den Abritt bestimmt.«
    Baruch nickte. »Doch, Kind, soeben. Ich denke, er lässt seine Familie gerade davon unterrichten. Und ich will dich auch nicht zu lange aufhalten, du wirst deiner Herrin … oder deinen Herrinnen …«, er schmunzelte, »… beim Packen helfen müssen.«
    Amra verzog ein wenig das Gesicht. Sie hatte eigentlich gehofft, jetzt freizuhaben und sich mit einem Kerzenstummel und einer von Basima und Dschamila geliehenen Handschrift ins Mägdezimmer zurückziehen zu können.
    »Wieso auf einmal diese Eile? Aber wie auch immer: Mich werdet Ihr weiterhin hier antreffen. Ich gehe nicht mit nach Karentia.«
    Der Kaufmann runzelte die Stirn. »Nicht? Ich dachte, du hättest dich bei den … hm … Odalisken … unentbehrlich gemacht. Und

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