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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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steigen und selbst sehen, Fischer. Du berichtest der Volksversammlung, hör ich …«
    Er ließ offen, was er davon hielt, schließlich war er König und Priesterschaft verpflichtet. Aber seine Bereitschaft, einem einfachen Fischer aus Vitt den Turm zu öffnen, sprach Bände.
    »Und was ist mit den Köhlerjungen?«, fragte Amra, begierig auf eine gute Geschichte, die sie dem Personal in der Küche erzählen konnte.
    »Die verfluchten Dänen haben das Versteck der Familie gefunden«, berichtete der Wächter traurig, »und den Vater niedergemacht. Die Frauen haben sie geschändet. Die beiden Jungs konnten fliehen, der eine schwer verletzt … Aber immerhin, sie haben’s geschafft, sich durch das Gewimmel da unten zu schleichen und ans Tor zu klopfen. Der eine sagte, es seien Obodriten unter den Kerlen, und er hätte sich als einer der ihren ausgegeben … So wären sie an den Wachposten vorbeigekommen.«
    »In der Tat geschickt«, lobte Admir. »Darf ich dein hochherziges Angebot nun annehmen und den Turm ersteigen?«
    »Ich auch?«, fragte Amra rasch.
    Sie hatte ihren Korb geleert, und der Wachmann stellte erfreut fest, dass er auch einen Krug Bier für die Wachen enthalten hatte.
    »Du bist doch die Magd des Königs, die man oft mit dem alten Juden sieht, oder?«, fragte der Wächter etwas argwöhnisch.
    Amra nickte. »Der Herr Baruch war immer gut zu mir«, bekannte sie unbefangen. »Meine Mutter führt ihm den Haushalt …«
    Der Wächter ließ den Blick über die roten Haarsträhnen wandern, die sich unter ihrem Tuch hervorstahlen, wechselte einen Blick mit dem Ortsvorsteher von Vitt und grinste wissend.
    »Ein väterlicher Freund sozusagen?«, bemerkte er.
    Amra schaute ihn etwas verwirrt an, stimmte dann aber zu. »Das stimmt!«, erklärte sie. »Der Herr Baruch war oft wie ein Vater zu mir.« Sie verstand nicht, warum die Männer lachten.
    »Wo ist er denn jetzt, der Herr Baruch?«, erkundigte sich Admir, während er die Leiter zum Turm hinaufstieg. Amra schloss sich ihm ohne weitere Fragen an. »Beim König in Karentia?«
    Amra zuckte die Schultern. Tatsächlich hatte sie keine Ahnung, aber natürlich einen Verdacht. Baruch sprach Dänisch und Ranisch, ohne einer der verfeindeten Gruppen anzugehören. Wenn es Verhandlungen geben sollte, wäre er der rechte Vermittler zwischen den Ranen und ihren Belagerern. Die Frage war nur, ob er für König Waldemar oder für König Tetzlav verhandeln würde. Zurzeit vermutete Amra ihn irgendwo zwischen Karentia und dem feindlichen Feldlager.
    Inzwischen hatte Admir den Wachturm erstiegen. Etwas außer Atem hielt er Amra die Hand hin und half ihr über die letzten Leitersprossen. Dann blickten beide gebannt auf die Menschenmenge vor den Toren der Burg. Das feindliche Lager wirkte ungeordnet, und die Söldner und Ritter eher zufällig platziert als strategisch geschickt aufgestellt. Man trat sich vor der Burg ebenso auf die Füße wie drinnen.
    »Wir sollten jetzt einen Ausfall machen«, meinte der alte Wächter, der Amra und Admir gefolgt war. Anscheinend verfügte er über Kampferfahrung. »Da unten geht’s noch drunter und drüber, die haben gar keinen Platz, um richtig zu kämpfen. Zumindest die Ritter können sie vorerst gar nicht einsetzen. Aber wenn sie weiter fleißig den Wald roden, hat sich das in ein paar Tagen geändert. Das Adelsbürschchen, das der König hiergelassen hat, um die Burg zu führen, traut sich bloß nicht!«
    Vaclav, das hatte Amra schon anderen Äußerungen von Wächtern und Tempelgardisten entnommen, wurde nicht sehr respektiert. Dabei hatte der Wächter sicher Recht. Wenn man jetzt die Tempelgarde hinausschickte und die Enge und das Durcheinander im dänischen Heer nutzte, konnte man die Feinde zumindest etwas demoralisieren, ohne selbst größere Verluste zu erleiden.
    Admir sah das völlig anders. »Einen Ausfall?«, rief er entsetzt. »Du scherzt, Torwächter! Da unten stehen mindestens tausend Mann. Und wir mit unseren dreihundert Mann Tempelgarde … Da würden wir niemals etwas ausrichten!«
    Der Torwächter grummelte. »Du musst es ja wissen, Fischer«, meinte er gallig. »Aber ich sag euch allen voraus, dass es nichts Gutes verheißt für einen Krieg, wenn Zauderer und Priestervolk regieren. Und dafür brauch ich gar kein Pferd über zwei Lanzen zu führen.«
    Amra enthielt sich einer Meinungsäußerung. Sie starrte weiter auf die von Rittern und Fußvolk wimmelnde Ebene vor der Burg und ertappte sich dabei, wie sie nach dem blonden

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