Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
als sie auf die Boote hinüberkletterten. Bei den Pferden hingegen gab es mehr Wirbel. Die Ritter bauten Rampen, über die ihre Rösser aus dem Bauch der Schiffe zu den Booten hinübersteigen sollten. Einige glitten auf dem schmalen Steg jedoch aus und landeten unsanft im Wasser. Also ließen die Folgenden ihre Pferde gleich schwimmen. Magnus hoffte, dass sein feuriger, hochbeiniger Fuchs bei all dem nicht zu Schaden kam, aber er fand das Pferd an Land wohlbehalten wieder.
Die Bischöfe dankten Gott wortreich für die erfolgreiche Landung, als die ersten Truppenführer ihre Leute auch schon in Richtung Burg in Marsch setzten. Das winzige Dorf Vitt war bald überfüllt mit Männern. Magnus und Herr Albrecht hielten ihre Truppen energisch beisammen, während andere Heerführer wie Pribislav und die Pommern weniger Energie dareinsetzten, ihre Männer zu kontrollieren. Die ersten Pommern entdeckten auch bald johlend ein Fass Bier und machten sich ans Plündern des Fischerdorfes.
»Als ob hier viel zu holen wäre«, meinte Albrecht verächtlich. »Da haben wir uns mit feinen Herrschaften verbündet! Und diesem Slawenfürsten Pribislav traue ich auch nicht, obwohl er den König bis jetzt ja ganz richtig beraten hat. Aber die Bekehrung dieser Leute … heute beten sie noch zu ihrem Porevit oder Svantevit oder wie ihre Götzen alle heißen, und morgen bekennen sie sich demütig zu unserem Herrn Jesus, nur um ihre Fürstentitel zu behalten? Die geistlichen Herren mögen das ein Wunder nennen, aber ich nenn’s Wankelmut …«
Die Vorhut des Heeres hatte den Höhenweg bereits gesichert, aber auch hier behielten die Veteranen der Slawenkreuzzüge Recht: Niemand verteidigte den Weg, das Heer konnte unbehelligt auf die Ebene vor der Burg durchmarschieren. Die war allerdings kaum weitläufig genug, um die vielen hundert Männer zu fassen.
»Wir werden morgen Holz schlagen müssen«, sagte Albrecht voraus. »Um Platz zu schaffen, aber auch für Rammböcke. Das kann dauern, diese Burg einzunehmen! Auf drei Seiten durch die Klippen geschützt, und hier … schaut Euch den Wall an, Herr Magnus. Der ist nicht leicht zu stürmen. Und wetten, dass dahinter noch ein weiterer liegt?«
Magnus nickte. »Da brauche ich nicht zu wetten«, meinte er gelassen. »Das weiß ich auch so. Ich bin ja nicht zum ersten Mal hier.«
Albrecht, der eben Anstalten gemacht hatte, zumindest ein behelfsmäßiges Zelt aufzubauen, um sich in der Enge des Heerlagers ein bisschen Freiraum zu schaffen, merkte auf.
»Ihr seid … Ja, richtig, Herr Heinrich erwähnte da etwas …« Der Ritter lächelte und förderte unter all den Utensilien, die sein Pferd und ein Packtier getragen hatten, einen Schlauch Wein hervor. »Setzt Euch zu mir, Herr Magnus. Diese Geschichte will ich genau hören!«
Die Ritter schauten zur Burg hinüber, in deren Wachtürmen nur gelegentlich ein Licht aufflackerte. Tempel und Palas – eher niedrige Bauten – waren von außen gar nicht zu erkennen. Während sich das Heer um Albrechts Zelt drängte, Söldner fluchten und Ritter stritten, erzählte Magnus von seiner Gefangennahme und seiner Flucht.
»Der Kapitän brachte mich dann nach Lübeck und vermittelte mir den Kontakt zur Kaufmannschaft. Von da an war es einfach, sie stellten mir gleich einen Wechsel aus, sodass ich ein Pferd kaufen konnte, und eine Reisegesellschaft nach Braunschweig war auch rasch gefunden«, endete der junge Ritter. »Natürlich hat Herr Heinrich den Handelsherren das Geld gleich zurückerstattet und auch dem Juden, der die Schiffspassage bezahlt hat. Seitdem war ich Knappe an seinem Hof.«
»Aber Ihr erinnert Euch an diese Burg?«, vergewisserte sich Albrecht. »Ihr wart … nicht zu jung, um Euch alles zu merken?«
Magnus schüttelte empört den Kopf. »Ich war fünfzehn Sommer alt!«, erklärte er beleidigt. »Da haben andere längst ihre Schwertleite gefeiert. Und ich bin hier dem Tod begegnet und …« Er dachte an Amra, und ihm fiel wieder kein Wort ein, um das zu beschreiben, was ihm in ihr begegnet war. Das Leben? Oder doch … die Liebe? »Jedenfalls erinnere ich mich, als sei es gestern gewesen!«, behauptete er.
Albrecht nickte. »Schön. Dann gehen wir morgen zum König …«
Waldemar von Dänemark hatte durchaus Sinn für große Auftritte. Er konnte kaum weniger flammende Reden führen als sein Bischof Absalom, und Magnus staunte, wie überlebensgroß er auf seinem Schimmel wirkte, als er am Nachmittag des folgenden Tages zu seinen Leuten
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