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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gefunden, vor dem Zelt des Königs zu verharren, und gelauscht.
    Auch die Unterhaltung zwischen den Brüdern nach der Audienz war ihm nicht entgangen. Er schämte sich für die Männer – und dachte darüber nach, dem König zu melden, dass sie auf dem Weg zum Quartier der Geiseln waren. Aber andererseits – ob diese Frauen heute geschändet wurden oder am nächsten Tag, Magnus wusste genau, dass zumindest die Nichtadligen unter ihnen auf einem Sklavenmarkt enden würden. Wenn die »Ware« da halbwegs jung und hübsch war, würden sich weder Händler noch Käufer zurückhalten. Eine Meldung schob die Sache für die Mädchen also höchstens auf, wenn überhaupt. Ob dem König die Unschuld von ein paar Ranenmädchen so wichtig war, dass er Pribislav und Niklot dafür zum zweiten Mal an einem Abend ins Gebet nehmen würde, war zumindest zu bezweifeln.
    Dennoch hatte Magnus ein schlechtes Gewissen. Bevor Baruch eintraf, war er entschlossen gewesen, es im Wein zu ertränken. Aber jetzt, da Baruch von Stralow in sein Zelt gekommen war und von Amra erzählt hatte …
    Der junge Ritter sprang auf. »Wie konnte es passieren, dass man sie zu einer Geisel machte? Warum habt Ihr es nicht verhindert?« Erregt überschüttete er den Kaufmann mit Fragen, während er nach seinem Kettenhemd griff, das er eben schon abgelegt hatte. »Ihr wisst doch …«
    »… dass das Versprechen des Königs, die Geiseln zu schützen nicht mehr bedeutet als schöne Worte?«, fragte Baruch spöttisch. »Und dass man nicht christliche Geiseln gewöhnlich auf dem nächsten Sklavenmarkt verhökert? Natürlich wusste ich das. Und ich hätte alles getan, um sie in Arkona zu halten. Aber Ihr kennt Amra, Herr Magnus … ich fürchte, besser, als Ihr es solltet.«
    Magnus heftige Reaktion auf seine Erwähnung der jungen Frau hatte Baruch in der Annahme bestärkt, dass Amra und Magnus ihre Bekanntschaft in der letzten Nacht erneuert hatten. Die junge Frau musste ihn getroffen haben, als sie nach den »Köhlerjungen« gesucht hatte.
    »Amra hat ein großes Herz«, sprach der Kaufmann weiter. »Und sie fürchtet sich nicht vor einem Abenteuer. Sie hat unter den Geiseln den Platz einer Freundin eingenommen. Gänzlich arglos, wer weiß, was sie sich von der Sache versprochen hat, wahrscheinlich sah sie sich schon als Kammerfrau einer Prinzessin von Dänemark.«
    In Magnus’ Augen blitzte etwas auf, was Baruch nicht zu deuten wusste. Ein Einfall vielleicht? Magnus von Lund war Baruchs letzte Hoffnung. Der junge Ritter schuldete ihm etwas. Und wenn es irgendjemanden gab, der ihm helfen konnte, Amras Dummheit rückgängig zu machen und sie aus der Geiselhaft zu befreien, so war es Magnus.
    Aber jetzt schien der Ritter nicht darüber reden zu wollen. Ebenso hastig, wie er eben sein Kettenhemd übergezogen hatte, gürtete er sich mit seinem Schwert und machte Anstalten, das Zelt zu verlassen.
    »Ich muss los, Herr Baruch. Ich … ich danke Euch für Eure Nachricht. Wir … wir sprechen später noch darüber. Vielleicht … ich … ich habe da etwas gehört … Aber was auch immer aus Amra werden kann, erst einmal muss sie die heutige Nacht unbeschadet überleben.«
    Baruch sah dem Ritter verwundert nach.
    »Ihr könnt hier warten!«, rief Magnus ihm noch zu, während er sich auf sein Pferd schwang.
    Er machte sich nicht die Mühe, den Hengst vorher zu satteln und zu zäumen. Der hochbeinige Schweißfuchs war gutmütig, er folgte den Hilfen seines Herrn auch am Halfter. Magnus ließ ihn im Galopp anspringen und jagte zum Lager der Obodriten.
    Amra und die anderen Mädchen befanden sich seit über einer Stunde in einem mehr oder weniger ernsthaften Abwehrkampf gegen die Krieger der Obodriten. Einige der Männer hatten ihnen das Zelt aufgebaut, das Baruch rasch organisiert hatte, und dabei gutmütig mit ihnen gescherzt. Zwei der Mädchen waren auch offenherzig genug, sich dafür mit einem Kuss zu bedanken.
    Die Männer erschienen dann rasch erneut, dieses Mal mit Speisen und Wein, was die weiblichen Geiseln zusehends entspannte. Nach der Furcht vor der ungewissen Zukunft und dem Abschied von ihren Familien löste sich jetzt langsam ihre Anspannung. Es schien alles gar nicht so schlimm zu werden. Die Obodriten waren ein ihnen verwandtes Volk – auch ihre Führer hatten früher oft das Orakel des Svantevit befragt. Sie sprachen zwar einen anderen Dialekt als die Ranen, aber die Verständigung war mühelos möglich. Als die ersten Weinkrüge kreisten, entwickelte sich

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