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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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fast etwas wie ein Fest der Verbrüderung. Die Geiseln lechzten danach, von den Mitgliedern der schon von den Christen eroberten Stämme zu hören, wie es sich unter der Herrschaft Heinrichs des Löwen lebte und welche Opfer die neuen Götter forderten. Die Krieger gaben bereitwillig Auskunft – je weiter der Abend voranschritt, desto zotiger wurden allerdings ihre Witze und umso plumper ihre Komplimente für die Mädchen, die mit ihnen am Feuer saßen.
    Schließlich sprachen die beiden älteren Frauen ein Machtwort und befahlen die Jüngeren ins Zelt, bevor sie sich noch einen Liebhaber nahmen. Amra und zwei weitere junge Frauen hatten sich zwar von vornherein zurückgehalten, doch ein paar andere tändelten offen mit den Obodriten und trennten sich nur widerwillig. Einige der Männer, die sich betrogen fühlten, nachdem die Mädchen vorher mit ihnen geredet und gelacht hatten, verlangten Einlass. Die Ranen wehrten sie zunächst ab, waren dann aber selbst betrunken genug, um die Gunst der jungen Frauen zu buhlen.
    Amra war von alldem eher weniger betroffen. Sie hatte sich an Baruchs Anweisungen gehalten und war im Hintergrund geblieben. Die Männer hatten sie nicht behelligt, aber bisher ging es ja auch noch halbwegs harmlos zu. Es sah danach aus, als würden die beiden älteren ranischen Edelfrauen mit den paar jungen Männern, die lamentierend und sich gegenseitig herumstoßend vor dem Eingang des Zeltes Streit suchten, spielend fertig.
    Dann jedoch erklangen Hufschläge und befehlsgewohnte Stimmen vom Eingang des kleinen Lagers. Es war bewacht, König Waldemar hatte zwei dänische Ritter damit betraut, die Geiseln zu beaufsichtigen. Besonders begehrt war der Posten allerdings nicht gewesen, und so hatte es zwei junge, noch unerfahrene Ritter getroffen. Die beiden saßen nun seit Stunden am Feuer, tranken Wein und hatten die gefeierte Verbrüderung zwischen Ranen und Obodriten bislang tunlichst übersehen. Was störte es sie, wenn da ein paar Slawen miteinander lachten? Natürlich hatte man sie angewiesen, die Tugend der Frauen zu schützen – aber solange keine um Hilfe rief, sahen sie keinen Handlungsbedarf.
    Nun allerdings standen zwei slawische Fürsten vor den Toren und verlangten Einlass – eine Situation, auf die die beiden Wächter niemand vorbereitet hatte. Pribislav und Niklot hatten keinen vernünftigen Grund, die Unterkünfte der Geiseln zu betreten. Von den Wächtern befragt gaben sie unumwunden zu, dass es sie nach den Frauen im Lager gelüstete und dass sie nicht vorhätten, die Mädchen nach ihrer Zustimmung zu fragen. Genau so etwas sollten die Wächter verhindern. Aber Pribislav und Niklot waren ihnen vom Rang her weit übergeordnet. Konnten sie ihnen den Zugang verwehren? Die Männer griffen unsicher nach ihren Schwertern, als die Slawen eine höfliche Ablehnung ihres Begehrens nicht akzeptierten.
    »Es geziemt sich nicht für einen Ritter, erst recht nicht für einen Fürsten, Gefangene zu quälen und zu schänden!«, erklärte einer der jungen Ritter würdevoll und todesmutig. »Erinnert Euch, Ihr habt bei Eurer Schwertleite geschworen, die Tugend der Frauen zu achten.«
    Pribislav schleuderte ihn mit einer Armbewegung beiseite. »Was sich für einen Fürsten geziemt, müsst Ihr schon mir überlassen!«, bemerkte er kurz. »Und Tugend … schauen wir doch erst mal, wie tugendhaft die Täubchen sind, die Ihr da bewacht. Sie sind doch wohl kaum von edlem Blut.«
    »Aber sie stehen unter dem Schutz des Königs.« Der junge Ritter rappelte sich auf, zog sein Schwert und stellte sich den Brüdern entschlossen entgegen.
    Niklot, der inzwischen ebenfalls seinen schweren Beidhänder gezückt hatte, entwaffnete ihn mit einem Schlag. »Komm mir nicht mit dem König!«, fauchte er ihn an. »Und nun geht uns aus dem Weg – wir nehmen die Geiseln für Herzog Heinrich in Besitz.«
    Pribislav und Niklot schritten vorbei an den eingeschüchterten Wachen und beendeten allein mit ihrem Auftauchen die Rangelei vor dem Zelt der Frauen.
    »Hier ist uns doch wohl noch keiner zuvorgekommen?«, fragte Pribislav drohend, als er seine Männer vor dem Eingang erkannte. Die Ritter zogen die Köpfe ein und ergriffen die Flucht.
    »Verschwindet!«, rief Niklot ihnen hinterher. »Aber lasst den Wein hier!« Einige der Männer hatten versucht, die Reste ihres Gelages noch schnell mitgehen zu lassen.
    »Vielleicht mag ja eine der Damen mit uns trinken …«
    Grinsend verbeugte er sich vor den Edelfrauen, die sich eben im

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